Rheinische Post Krefeld Kempen
Städte unterstützen Scheuers Diesel-Plan
Die Kommunalverbände bewerten das Drei-Optionen-Konzept des Verkehrsministers als „ersten Schritt“. Dieselfahrer sollen ihre Autos auf Kosten der Hersteller umtauschen oder nachrüsten können – aber bislang nur in zehn Städten.
BERLIN Die kommunalen Spitzenverbände haben die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Lösung des Dieselproblems in deutschen Städten begrüßt, verlangen jedoch weitere Schritte und noch Änderungen in wichtigen Detailfragen.„Den Schlüssel, um Fahrverbote noch in letzter Minute zu verhindern, halten die Bundesregierung und die Automobilindustrie in den Händen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy. „Hardware-Nachrüstung ist aus Sicht der Städte am wirksamsten, damit die Stickoxid-Werte rasch sinken. Umtauschprämien hatten bisher nicht den durchschlagenden Erfolg“, erklärte Dedy. „Am besten wäre eine umfassende Nachrüstung für ältere Dieselautos im ganzen Land.“Wenn die Bundesregierung aber eine Nachrüstung nur für einzelne besonders belastete Städte und Ballungsräume beschließen sollte, „wäre das ein erster Schritt.“
Auch Gemeindebunds-Geschäftsführer Gerd Landsberg bewertete die Pläne der Bundesregierung zum Fahrzeugumtausch oder zur Nachrüstung für Dieselfahrer als „richtiges und wichtiges Signal.“Die drei geplanten Optionen für Dieselfahrer – Fahrzeugrückkauf, Fahrzeugumtausch oder Motoren-Nachrüstung – „sind wirksame und vergleichsweise schnell umsetzbare Maßnahmen“, sagte Landsberg.
Die Bundesregierung will bis Freitag letzte Details eines vonVerkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgelegten Konzepts zur Lösung der Diesel-Krise klären. Dazu kam am Mittwoch eine Staatssekretärsrunde beim Chef des Kanzleramts, Helge Braun, zusammen. Die Koalitionsspitzen sollen das Konzept am Montag beschließen. Widerstand der SPD ist nicht mehr zu erwarten, nachdem sich am Mittwoch auch SPD-Umweltministerin Svenja Schulze hinter den Scheuer-Vorschlag stellte. Sie ist zufrieden, weil das Konzept die Möglichkeit der Hardware-Nachrüstung enthält. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht dem Vernehmen nach
gute Chancen, dass auch die stark unter Druck stehenden Autobauer das Konzept mittragen. Es dürfte sie mindestens vier Milliarden Euro kosten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte klar, dass der Staat zur Lösung des Dieselskandals kein Steuergeld einsetzen werde.
Scheuers Plan sieht drei Optionen vor, wie schmutzige ältere Diesel von den Straßen verschwinden sollen – allerdings beschränkt auf zehn so genannte „Intensivstädte“. Dazu gehören München, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Hamburg oder Frankfurt und deren Umkreise, in denen die Schadstoff-Belastung durch den Dieselverkehr am höchsten ist. Besitzer von Die-
sel mit den Euro-Normen vier und fünf sollen die Möglichkeit erhalten, ihr Auto gegen ein saubereres einzutauschen, ohne dabei einen größeren Verlust zu erleiden. Die Hersteller sollen ihnen entweder eine großzügigere Umtauschprämie bezahlen oder den alten Diesel mit einem 20-Prozent-Aufschlag auf den Gebrauchtwagen-Preis zurückkaufen. Für knapp 1,4 Millionen Dieselfahrer in diesen Regionen soll es aber auch die Möglichkeit der Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Hersteller geben. Sie würden ihr Auto behalten können, jedoch müsste ein Katalysator eingebaut werden, der den Stickoxid-Ausstoß begrenzt. Das kostet bis zu 3000 Euro. Scheuer hatte zunächst vorgesehen, die Halter mit bis zu 600 Euro zu beteiligen, war nach einer Intervention der CSU-Spitze, die in Bayern einen Wahlkampf bestehen muss, jedoch zurückgerudert.
Das Konzept wirft noch Fragen auf, die innerhalb der Bundesregierung bis Freitag unter Hochdruck geklärt werden sollen. So ist fraglich, ob die Beschränkung auf die zehn Städte haltbar ist – oder ob das Angebot der Umrüstung oder des Umtausches nicht auf mehr betroffene Städte oder aus Gleichbehandlungsgründen sogar auf ganz Deutschland ausgeweitet werden muss. Zudem ist unklar, was mit Euro-6-Dieselautos passieren soll,
die teils höhere Schadstoffemissionen haben als ältere Modelle. Ausländische Hersteller lehnen neue Umtausch-Angebote an ihre Kunden überdies ab. Die Attraktivität der Programme hängt zudem entscheidend von der Höhe der Umtauschprämien ab, die derzeit von der deutschen Autoindustrie berechnet werden. Auch muss es eine Kennzeichnung geben, damit Ordnungskräfte saubere von schmutzigen Diesel-Fahrzeugen künftig unterscheiden können.
Für die Regierung problematisch ist, dass sie die Manipulationen der Dieselmotoren durch die Autohersteller rechtlich kaum ahnden kann, weil die manipulierten Fahrzeuge staatliche Typengenehmigungen haben. Sie setzt daher auf massiven politischen und öffentlichen Druck auf die Hersteller. Allerdings kommt sie ihnen an anderer Stelle auch entgegen: Sie will sich Anfang Oktober im EU-Ministerrat hinter den Vorschlag der EU-Kommission stellen, die CO2-Grenzwerte für Neuwagen zwischen 2021 und 2030 nur um 30 Prozent zu senken. Umweltministerin Schulze, die eine Senkung um 45 Prozent gefordert hatte, gab ihren Widerstand gegen den geringeren Wert auf, um das Beschluss-Verfahren nicht weiter zu verzögern. Ihr Kalkül: Andere EU-Länder und das EU-Parlament werden in den Verhandlungen am Ende schon für höhere Abgas-Grenzwerte sorgen.