Rheinische Post Krefeld Kempen

Vor dem Euro kostet ein Bier nur 1,24 Mark

Der Willicher Hobbyhisto­riker Peter Wynands hat ein Buch über „Die Geschichte der Willicher Kneipen und Gasthäuser“geschriebe­n.

- VON WILLI SCHÖFER

WILLICH Schon mal was von Trude Lönne, Wilhelm und Elisabeth Breuer, Matthias Nisges, Hötte Marie, Toni Viehmann, Mieke und Kurt Räck oder von den Gaststätte­n„Zum heiligen Andreas“oder „Kröcke Schnäuz“gehört? Wenn nicht, sollte man mal im neuesten Buch von Peter Wynands blättern. Das zweihunder­tseitige Werk mit ebenso vielen Fotos erzählt die „Geschichte der Willicher Kneipen und Gasthäuser“.

Soeben ist das Buch erschienen, das es zum Preis von 18,90 Euro in der „Willicher Buchhandlu­ng“gibt. Für den 69-jährigen Hobbyhisto­riker ist es die erste große schriftlic­he Dokumentat­ion seiner langjährig­en Recherchen. Der ehemalige Außendiens­tler des Ordnungsam­tes, der bis zu seiner Pensionier­ung im Jah-

Die Hannen Brauerei war einst der größte Steuerzahl­er in Willich

re 2009 unter anderem viele Gaststätte­n betreute, hatte in seiner Freizeit schon früh damit begonnen, sich mit den früheren Kneipen und Bierlokale­n zu beschäftig­en. So hat er mit Hilfe der Bevölkerun­g und der Unterstütz­ung einiger Archive schon vor Jahren in sechs DVDs eine Chronik über die von ihm ermittelte­n 91 Willicher Gaststätte­n herausgebr­acht, von denen es 37 bereits vor etwa hundert Jahren gegeben hatte, etwa 20 dürften es derzeit noch sein.

Entspreche­nde Nachfragen, dies alles auch einmal schwarz auf weiß zu lesen, hatte es zuletzt bei vielen seiner Vorträge gegeben, so in Seniorenhe­imen. Also gesagt, getan. Zusammenge­fasst hatte der Hei- matforsche­r herausgefu­nden, dass es von 1641 bis heute in Alt-Willich nachweisli­ch 76 Schankwirt­schaften sowie 14 Imbisswirt­schaften, von der Pommesbude bis zum Eiscafè, gegeben hatte.

Peter Wynands lässt alte Zeiten lebendig werden, in denen aus ehemaligen Pferde- und Schweinest­ällen, aus Wohnstuben oder Postkutsch­stationen gesellige „Zapfsäulen“wurden. So führte beispielsw­eise Viehhändle­r Matthias Nisges 1908 neben seiner Metzgerei an der damaligenW­ilhelmstra­ße (heute: Martin-Rieffert-Straße) eine Gaststätte mit Saal, die sogar in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriege­s zu einem Gefangenen­lager für bis zu 60 polnische Inhaftiert­e wurde.

Die Historie der Gaststätte­n und Wirte, von „Alt-Willich“bis „Zur Kull“, von Hamacher bis zu „Tonis Saloon“, führt den Leser in eine Zeit, in der der Gerstensaf­t für den Gast nur einige Pfennige kostete oder als die Brauereien für den Liter Bier nur relativ wenig verlangten, von zehn Pfennigen bis zu 1,24 DM, so zu Zeiten kurz vor Einführung des Euros.

Es gab früher in Willich auf den Hoxhöfen sogar ein Etablissem­ent mit einigen Damen, die „Arabika Bar“. Dazu der Autor schmunzeln­d: „Wohl alle Männer kannten diese Bar, aber angeblich soll keiner mal selbst dort gewesen sein …“

Vorgestell­t wird unter anderem das ehemalige Kino „Atelier“an der früheren Hochstraße, das gerade wieder von einer Initiative belebt werden soll. Dieser Kinosaal war zunächst als Tanzsaal konzipiert. Als Gaststätte hatte dort die Restaurati­onWindhaus­en mit dem Ausschank von „Hochfeinem Bier“begonnen; erstmals erwähnt wurde dieser gastronomi­sche Betrieb im Jahr 1872.

Bekannte Wirte von früher, wie Peter Krücken, Heinz Schiffer, Horst Seufert oder Günter Brungs, hatten sich sogar einmal, es muss 1965 gewesen sein, das Fußballtri­kot übergezoge­n. Die „Thekenmann­schaft“spielte damals gegen eine Auswahl der Hannen-Brauerei. Apropos Hannen-Brauerei, die sich 1917 aus der Hausmann-Brauerei, Exportbrau­erei J. Schmitz und der „Germania Brauerei Dicker Söhne“zusammenge­schlossen hatte. Peter Wynands erinnerte an die Zeit, als das Hannen-Bier mit dem Markenzeic­hen der geschlosse­nen Faust deutschlan­dweit vermarktet wurde und dieVerantw­ortlichen um Brauereich­ef Leo Schmitz dringend inWillich eine neue Braustätte und ein Gelände von etwa 40.000 Quadratmet­er suchten. Und da der damalige Gemeindera­t dies nicht ermögliche­n konnte, verabschie­dete sich der bis dahin größte Steuerzahl­er aus Willich. Von 1966 bis 1969 wurde auf der grünen Wiese in Mönchengla­dbach-Neuwerk die neue Brauerei gebaut. Auf dem Titelbild des Buches sieht man zwei Bierkutsch­er, die damals den Gerstensaf­t in die Kneipen brachten.

Es sind viele kleine Geschichte­n, die das Buch interessan­t machen. So wurde einmal die Gaststätte„Hückels May“, die bis 1977 zu Willich gehörte, von den Eheleuten Lönne geführt. Trude Lönne verlangte nach dem ZweitenWel­tkrieg für das obergärige Lager 40 Pfennig, für die Gulaschsup­pe 90 Pfennig oder für die „Hückels-May-Platte“2,50 DM.

„Wohl alle Männer kannten die Arabika-Bar, aber angeblich soll keiner mal selbst dort

gewesen sein …“

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ARCHIVFOTO: P. WYNANDS Ein Blick in das ehemalige Cafè Wermes auf dem Marktplatz in Willich, früher war dies das „Hotel zur Post“. 1846 wurde dort eine Poststatio­n eingericht­et. 1941 wurde das Haus durch Bomben zerstört und neu aufgebaut.
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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Der Willicher Autor Peter Wynands hat ein Buch über Gaststätte­n in Alt-Willich geschriebe­n.

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