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Boris Johnson triezt Theresa May mit eigenem Brexit-Plan
Der frühere Außenminister rechnet mit den Verhandlungen über den EU-Austritt ab. Vor dem Parteitag der Torys gerät die Premierministerin in Bedrängnis.
LONDON Boris Johnson kann es nicht lassen. Zwei Tage vor Beginn des Parteitages der Konservativen hat der britische Ex-Außenminister wieder einmal eine Breitseite gegen die Regierung von Theresa May und ihren Brexit-Kurs gefeuert. In einem doppelseitigen, rund viereinhalbtausend Wörter langen Beitrag für die Zeitung „Daily Telegraph“veröffentlichte der umstrittene Politiker„Meinen Plan für einen besseren Brexit“. Das Timing könnte für May schlechter nicht sein. Denn kurz vor Beginn des Tory-Treffens, auf dem sie ihren umstrittenen Plan für den EU-Austritt verteidigen muss, legt Johnson eine Alternative vor, die besonders auf dem rechten Flügel der Partei Jubel auslösen wird.
Als„Brexit-Bombe für May“wurde Johnsons Intervention bezeichnet. Es habe „ein kollektives Versagen der Regierung“gegeben, schreibt er, und „einen Kollaps des Willens des britischen Establishments, das Referendums-Mandat zu erfüllen“. Die bisherige Verhandlungsführung sei „rückgratlos“gewesen und habe dazu geführt, dass Großbritannien Konzessionen gemacht und einer Notfalllösung zugestimmt habe, mit der eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll. Mays Plan sei eine „moralische und intellektuelle Demütigung“, ein „demokratisches Desaster“, das die Wähler betrüge. Es sei ein Irrtum zu glauben, „dass wir halb drin, halb draußen sein können“.
Johnson war im Juli als Außenminister zurückgetreten, weil er den auf dem gleichnamigen Landsitz der Regierung vereinbarten „ChequersPlan“nicht mittragen wollte. Der Plan sieht vor, dass Großbritannien, was Güter und Agrarprodukte betrifft, im Binnenmarkt verbleibt und weiter dem Regelwerk der EU folgt. Was Dienstleistungen anbelangt, will man ausscheren, eigene Regeln setzen und sich die Möglichkeit offenhalten, Freihandelsverträge mit Drittstaaten abzuschließen. Der Chequers-Plan wird nicht nur von Brüsseler Seite abgelehnt, sondern auch von weiten Teilen der Konservativen Partei. Und zu deren Fürsprecher will Johnson sich jetzt aufschwingen. Selbst eine Kampfkandidatur gegen die Parteichefin schloss er nicht aus.
Der 54-Jährige setzt Mays Vorschlägen einen Sechs-Punkte-Plan entgegen, der beginnt mit „Wirf Chequers weg“und endet mit„Starte weltweite Handels-Verhandlungen im April“. Er will die Konzession zur irischen Grenze einseitig zurücknehmen und einen neuen Austrittsvertrag verhandeln. Kern seiner Ausführungen ist ein Freihandelsabkommen mit der EU, das Johnson in der 21 Monate langen Übergangsperiode nach dem Austritt am 29. März 2019 verhandeln will. Es orientiert sich am Ceta-Deal zwischen der EU und Kanada, der 2017 vorläufig in Kraft getreten ist.
Johnsons Plan läuft auf die sogenannte Singapur-Option hinaus: Ein Großbritannien, das kompromisslos auf den Freihandel setzt, sich klar vom Europäischen Binnenmarkt abgrenzt und ihm mit niedrigen Steuern und minimalen Regularien Konkurrenz machen will. Diese Aussicht wird die Verhandlungspartner in Brüssel gewiss nicht erfreuen.
Für den Parteitag in Birmingham sind damit die Frontlinien vorgezeichnet. May hat nicht die besten Karten. Einen Tag vor ihrer Grundsatzrede am Mittwoch wird Boris Johnson auf einer Randveranstaltung sprechen. Bei dem großen Zuspruch, den er an der Basis hat, dürfte sein Auftritt Mays Rede in den Schatten stellen.