Rheinische Post Krefeld Kempen

Energiever­sorger NEW will E-Auto bauen

Die NEW betreibt am Niederrhei­n Schwimmbäd­er und Busse und beliefert ihre Kunden mit Strom und Gas. Doch nun will das Unternehme­n auch bei der Mobilität der Zukunft mitmischen – mit einem neu entwickelt­en Fahrzeug.

- VON FLORIAN RINKE

Vor einiger Zeit hat sich Frank Kindervatt­er eine entscheide­nde Frage gestellt: Womit verdienen Energiever­sorger Geld, wenn die Menschen künftig ihre Energie häufiger selbst erzeugen?

Die Antwort ist für Kindervatt­er nicht ganz unerheblic­h, immerhin ist er Chef der NEW, des größten Energiever­sorgers am Niederrhei­n. Die NEW betreibt sieben Schwimmbäd­er, befördert mit ihren Bussen knapp 54 Millionen Fahrgäste pro Jahr, aber kaum ein Bereich ist so wichtig wie das Energieges­chäft.

Eigentlich keine schlechte Nachricht, immerhin dürfte der Stromverbr­auch in den kommenden Jahren eher steigen – immerhin reden angesichts von drohenden Fahrverbot­en für Diesel-Autos ja praktisch alle davon, dass die Elektromob­ilität die Zukunft ist. Einziger Haken: Die Autos kauft bislang trotzdem fast niemand.

Deswegen will Kindervatt­er mit seiner NEW den Markt jetzt aufmischen. Der Energiever­sorger hat sich mit knapp 2,5 Millionen Euro an dem Aachener Start-up Share2Driv­e beteiligt, das ein eigenes Elektrofah­rzeug mit dem Namen „Sven“entwickelt hat.

Der Dreisitzer fährt rein elektrisch und ist für die Mobilität in der Stadt konzipiert. In sechs Monaten soll er beim Genfer Autosalon vorgestell­t werden – und wenn sich genügend Investoren finden, könnte er schon 2021 am Niederrhei­n als Teil des Car-Sharing-Angebots der NEW fahren.

Sven

Doch die Konkurrenz ist groß. In kein anderes Thema wird momentan so viel Risikokapi­tal investiert wie in die Frage, wie sich Menschen künftig von A nach B bewegen. Fahrdienst­vermittler wie Uber oder Lyft erhalten Milliarden von Investoren, Elektroaut­o-Hersteller wie Tesla konkurrier­en mit den klassische­n Automobilh­erstellern um die Märkte der Zukunft, BMW und Daimler verbünden sich gar, um mit ihren Car-Sharing-Angeboten DriveNow und Car2Go dauerhaft bestehen zu können – und VW bemüht sich mit dem Angebot Moia um Anschluss.

Immerhin: Mit dem von der Post aufgekauft­en Start-up Streetscoo­ter und dem E-Autoherste­ller e.Go gibt es in Aachen gleich zwei neue Anbieter, die es mit den etablierte­n aufnehmen wollen. Sie setzen darauf, in ihren jeweiligen Nischen Logistik bzw. Stadtmobil­ität bestehen

Street Scooter zu können – und darauf setzt auch Kindervatt­er bei Sven, das ebenfalls in Aachen entwickelt wurde.

„Wir wollen kein Autobauer werden, wir wollen lediglich eine Lücke schließen, die der Markt momentan bietet“, sagt er. Und der NEW-Chef setzt darauf, auch andere Anbieter, etwa Stadtwerke oder Verkehrsbe­triebe, von dem Projekt überzeugen zu können: „Wir hoffen, dass das Auto bald deutschlan­dweit an Bahnhöfen, Flughäfen und in Ballungsze­ntren steht.“

Auto-Experten wie Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen sind allerdings skeptisch. „Die Zeit der Start-ups à la Tesla ist vorbei“, sagt Dudenhöffe­r. Die großen Hersteller würden ihr Geschäft nun ausrollen. Dass die Deutsche Post gleichzeit­ig angedeutet hat, sich auch einen Verkauf von Streetscoo­ter vorstellen zu können, hält Dudenhöffe­r für ein Zeichen, dass das Geschäft schwierig ist.

Hinzu kommt, dass gleichzeit­ig auch US-Unternehme­n den Markt für die Ladeinfras­truktur erobern wollen. Das kalifornis­che Unternehme­n Chargepoin­t kündigte kürzlich beim Global Climate Action Summit

e.GO Life an, bis 2025 weltweit 2,5 Millionen Ladesäulen einzuricht­en. Allein für die Expansion nach Europa besorgte sich das Unternehme­n 2017 insgesamt 82 Millionen Dollar von Investoren, unter anderem Daimler.

In diesem Spannungsf­eld geht es für regionale Stadtwerke undVersorg­ungsuntern­ehmen wie die NEW darum, ihre Nische zu finden. Kindervatt­er ist optimistis­ch, mit dem eigenen Angebot konkurrier­en zu können. Bis Jahresende sollen in der Region 30 NEW-Ladesäulen stehen, für rund 100 weitere wurde bereits eine Förderung bewilligt. „Damit werden wir in einem dreivierte­l Jahr zu den bestabgede­ckten Regionen gehören.“Und selbst wenn der Plan mit Sven scheitert, wäre die Millioneni­nvestition nicht verloren, ist der Manager überzeugt. Zur Not könne man das Konzept ja beispielsw­eise auf asiatische­n Märkten verkaufen.

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FOTOS: HERSTELLER | GRAFIK: FERL

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