Rheinische Post Krefeld Kempen
Bergische Handarbeit
Nach sechs Spieltagen steht Aufsteiger Bergischer HC überraschend auf Rang fünf der Handball-Bundesliga. Gute Saisonstarts waren für den Klub aber nicht immer ein gutes Omen.
SOLINGEN Turnschuhe quietschen auf dem Hallenboden. Vom Kunstharz klebrige Bälle prallen auf. Und regelmäßig geraten massive Körper aneinander. Es geht ruppig zu beim Handball-Training des Bergischen HC. Für Trainer Sebastian Hinze aber offenkundig noch nicht ruppig genug:„Der Zweikampf ist zu lieb“, ruft Hinze, „das muss richtig knallen!“Mit Härte zum Erfolg. Ist das das Geheimnis, das dem BHC nach seiner Rückkehr in die Bundesliga einen derart guten Saisonstart beschert hat? Der erste Eindruck an diesem Morgen in der Solinger Klingenhalle bestätigt die These – zunächst.
Wille und Einsatzbereitschaft sind ein Aspekt des Zwischenerfolgs. Das haben die ersten Saisonspiele gezeigt. Nach sechs Spieltagen ist der Aufsteiger das Überraschungsteam der Liga. Drei Siege und zwei Niederlagen bedeuten aktuell Rang fünf im Oberhaus. Und das mit dem drittniedrigsten Etat aller Erstliga-Vereine.Vor allem am vergangenen Spieltag, als der Bergische HC beim TVB Stuttgart in letzter Sekunde den ersten Auswärtssieg holte (30:31), zeigte das Team, was es momentan so stark macht: hohes Tempo, Flexibilität und Siegeswille. „Gerechnet haben wir damit nicht. Aber dass wir bei dem Auftaktprogramm Chancen haben, war uns schon bewusst“, sagt Mannschaftskapitän Kristian Nippes. Zufriedenheit ist ihm anzumerken. Er weiß aber auch, dass die Arbeit weitergehen muss. Daran erinnert der Trainer ihn und die Kollegen. Aber auch die eigene Erinnerung mahnt Nippes. Der 30-Jährige weiß, dass gute Saisonstarts das eine oder andere Mal schon ein schlechtes Ende nahmen.
In den ersten fünf Spielen der Erstliga-Saison 2013/14 zum Beispiel. Da gelangen dem BHC vier Siege in Folge. Anschließend kam das Team bis zum Saisonende jedoch nur auf fünf weitere Siege und wendete erst am vorletzten Spieltag den Abstieg ab. In der Saison 2014/15 hielt sich der Klub zunächst in der oberen Tabellenhälfte, beendete die Runde aber nur auf Rang 14. Nippes weiß das alles. Seit 2011 ist der gebürtige Solinger zurück bei seinem Heimatklub.„Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Das sollte man sich zwar in Erinnerung rufen, sich aber nichts einreden“, sagt er. „Wir dürfen den Fokus nicht verlieren und müssen als Mannschaft funktionieren.“
Wie gut der Zusammenhalt ist, zeigt sich beim Training auch: Da- niel Fontaine steht mit Krücken am Spielfeldrand. Er verfolgt die Trainingsarbeit, obwohl er noch bis Jahresende ausfallen wird. Auch Fabian Gutbrod ist ein regelmäßiger Gast. Seit Wochen muss er wegen einer Knieverletzung pausieren.
Egal, dass die Sprache in der Klingenhalle zwischen Englisch, Deutsch und Isländisch wechselt. Das bergische Löwenrudel funktioniert. Diese Tatsache veranlasst auch BHC-Topwerfer Arnor Gunnarsson, der bislang 47 Tore erzielt hat und somit ein Faktor für den Erfolg ist, zu einem flapsigen Lob: „Das ist eine geile Truppe“, sagt der 30 Jahre alte Isländer.
Teamgeist, Tempospiel, Härte und Akribie also? Vielleicht ist das geheime Mittel der Bergischen aber auch, dass sie nicht nur „Hart wie Eisen“sind – so der Leitspruch der Saison. Sie können auch ganz soft. Das Training ist kaum beendet, schon greifen Nippes, Gunnarsson und Co. zu kleinen Fläschchen. Die Flüssigkeit darin verströmt einen angenehmen Duft. Nach anderthalb Stunden Handarbeit bedienen sich die Profis an: Babylotion. Gegen Harz an den Fingern. Und zur Pflege der Hände, die Sonntag gegen Bietigheim (16 Uhr) wieder geschunden werden.