Rheinische Post Krefeld Kempen
Trainerkarussell dreht sich schneller
Es gibt in Deutschland rund 900 lizenzierte Fußballlehrer, aber nur 56 Profivereine bieten ihnen Jobs. Im Durchschnitt bleiben die Übungsleiter nicht länger als ein Jahr bei einem Klub.
DÜSSELDORF Peter Neururer hat im vergangenen Jahr ein rundes Jubiläum gefeiert. Seit 30 Jahren ist er im Trainergeschäft. Mehr oder weniger zumindest. Neururer hat in dieser Zeit 14 Vereine betreut – von Rot-Weiss Essen, Schalke 04, Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC bis Hannover 96. Sein letztes Engagement endete beim VfL Bochum am 8. April 2013 – mal wieder vorzeitig. Seitdem ist Neururer, 63, „vereinslos“, wie in dieser Branche „arbeitslos“gerne umschrieben wird. Fußballer sind natürlich immer auf der Suche, immer bereit, eine neue Herausforderung anzunehmen. Denn: Wer einmal einen Schritt vom Trainerkarussell zurückgetreten ist, der kann sich in der Schlange gleich ein paar Plätze weiter hinten einsortieren. Wenn er sich denn überhaupt wieder anstellen darf. Neururer, ein Kind des Ruhrgebiets, hat indes seine eigene Lesart, warum er bisher keinen neuen Arbeitsplatz hat: „Ich wollte es einfach nicht. Möglichkeiten waren da, aber es hat mich nichts überzeugt. Ich habe mir den Luxus erarbeitet, nicht mehr zu allem Ja sagen zu müssen.“
In der Fußball-Bundesliga sind gerade einmal sieben Partien gespielt und bereits jetzt ist soviel Druck auf dem Kessel, dass der erste Trainer bereits entlassen worden ist. Das Vertrauen in Tayfun Korkut, noch vor wenigen Wochen als Retter beim VfB Stuttgart gefeiert, war schnell passé. Hoffnungsträger bei den Schwaben ist nun Markus Weinzierl, ausgestattet mit einem Arbeitspapier bis 2020. Ob er tatsächlich so lange wirken darf, ist mindestens vorsichtig zu bezweifeln. Die Halbwertszeit in diesem Metier ist im Schnitt der ersten drei Profiligen selten höher als ein Jahr. „Absolut pervers“, findet Neururer das. „Du kannst heute noch nicht einmal ausatmen, und schon sägt der erste wieder an deinem Stuhl. Das echte Problem ist aber, wer da sägt. Wo ist denn überhaupt noch Fachkompetenz im Management und Aufsichtsräten?“
Mike Büskens hat sich als Schalke-Spieler verdient gemacht. Er war später als Trainer bei Greuther Fürth erfolgreich, bei den folgenden Stationen in Düsseldorf, wieder Fürth und bei Rapid Wien war sein Erfolg dagegen überschaubar. „Ich musste Abstand vom Fußball gewinnen. Es gab Momente in meinem Trainerleben, die mich beschäftigt haben. Damit meine ich nicht zwei Trainer-Entlassungen, sondern der allgemeine Umgang miteinander in diesen Situationen“, sagt der gebürtige Düsseldorfer. „Fußball ist zum Geschäft geworden. Und ehrlicherweise habe ich auch von diesem System profitiert, aber die Liebe zum Spiel war immer mein Antrieb. Wenn der Sport nicht mehr für die Werte steht, die man mit Fußball verbindet, dann entfernt man sich davon. Vielleicht bin ich da zu sehr Fußball-Romantiker.“
Im Frühjahr sprach ihn sein ehemaliger Mitspieler Michael Prus an, ob er sich vorstellen könnte, ihn bei der U15-Nationalmannschaft zu unterstützen. „Bei den ersten Lehrgängen habe ich festgestellt, dass mir der Geruch des Rasens gefehlt hat und der Rasen riecht überall gleich, ob in der Düsseldorfer Arena, bei einem Euro-League-Spiel in Bilbao oder in der Sportschule Bitburg. Ich verbinde wieder Freude mit diesem Spiel“, so Büskens. „Ich habe mich bewusst etwas zurückgezogen und habe in dieser Zeit auch Möglichkeiten ausgeschlagen, wieder an der Seitenlinie zu stehen. Nun muss man damit leben, dass die Fußball-Welt dann auch nicht auf einen wartet, wenn man mal wieder den Rasen betritt.“Büskens wollte herausfinden, ob er die Arbeit mit Spielern und in der Kabine vermissen würde. „Das kann ich für mich mit ja beantworten, und deshalb ist der Fußball auch wieder reizvoll für mich. Egal ob auf dem Platz oder im Hintergrund, ob in Deutschland oder in einiger Zeit wieder das Ausland.“
Es gibt in Deutschland rund 900 lizenzierte Fußballlehrer, aber nur 56 Profivereine. Die Konkurrenz ist groß. Der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) ist die Dachorganisation der Trainer. Der BDFL-Präsident prangert die Mechanismen an: „Das ist schon alarmierend“, sagt Lutz Hangartner.„Das schwächste Glied in der Ket
te
ist immer der Trainer. Da werden zum Teil illusorische Erwartungen geschürt, die überhaupt nicht zu realisieren sind. Wir fordern deshalb mehr Geduld zu haben. Man kann keine Konstanz bekommen, wenn man ständig seine Konzepte über den Haufen schmeißt.“Und woran liegt das? Peter Neururer hat eine klare Meinung.
„Es wird immer schlimmer. Der Fußball wird von Menschen dominiert, die überhaupt keine Ahnung von diesem Geschäft haben. Jedenfalls nicht von dem Teil mit dem Fußball“, sagt Neururer. „Das ist natürlich schon ein Problem, wenn Leute die Entscheidungsgewalt haben, die wenig bis gar keine Sachund Fachkenntnisse haben. Das ist keine Entwicklung, die über Nacht gekommen ist, das hat sich seit Jahren so angedeutet.“Es sei ein Armutszeugnis, dass Korkut bereits dasVertrauen entzogen wurde. „Der Trainer hat sich doch nicht verändert. Wer hinterfragt denn die Personalentscheidungen?“, fragt Neururer. „Es werden immer neue tolle Trainer auf dem Markt gefeiert. Und Typen wie Julian Nagelsmann und Domenico Todesco machen wirklich einen tollen Job. Aber bei der Fluktuation, die es in dem Geschäft gibt, muss man die Frage stellen, ob man sich noch in 30 Jahren an die Namen er
innern kann.“