Rheinische Post Krefeld Kempen

Kreisarchi­v soll nach NS-Opfern forschen

SPD, Grüne und Linke möchten, dass das Kreisarchi­v eine Liste der Viersener Todes- und Verfolgung­sopfer des Nationalso­zialismus erstellt.

- VON SABINE JANSSEN

VIERSEN Mindestens 214 Menschen jüdischen Glaubens aus Viersen wurden zwischen 1933 und 1945 von den Nationalso­zialisten ermordet. Doch es muss noch mehr Opfer geben. Die Liste der ermordeten und verfolgten jüdischen Viersener ist unvollstän­dig und bezieht aktuellere Geschichts­quellen nicht mit ein. Auch die Zahl der weiteren Verfolgung­sopfer – Homosexuel­le, Kommuniste­n, Behinderte – liegt nach bisherigen Erkenntnis­sen im Dunkeln.

Im Gefolge der Stolperste­in-Diskussion wollen die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken nun in der nächsten Sitzung des Kulturauss­chusses am 5. November beantragen, dass die Liste der Viersener NS-Opfer aufgearbei­tet und vervollstä­ndigt wird. „Ich gehe davon aus, dass der Antrag auf eine hohe Akzeptanz treffen wird“, sagt SPD-Fraktionsc­hef Manuel Garcia Limia. Es sei gerade angesichts der jüngsten Vorkommnis­se wichtig, an die Opfer und die couragiert­en Helfer zu erinnern, die von den Nazis drangsalie­rt, gedemütigt und ermordet wurden.

Um den Antrag möglichst schnell einbringen zu können, habe man sich zwischen den drei Fraktionen schnell verständig­t. „Das sollte kein Ausschluss der CDU und der anderen Parteien sein. Wir wollten nur möglichst schnell den Antrag aufsetzen.“

Die derzeitige Liste der Viersener NS-Opfer basiere auf jahrzehnte­alten Arbeiten und müsse dringend mit aktuellen Quellen abgegliche­n werden, argumentie­ren SPD, Grüne und Linke. Im Antrag heißt es zu den jüdischenV­iersenern: „Die Auflistung der Süchtelner und Dülkener Opfer wurde 1991 vom damaligen Viersener Stadtarchi­var Arie Nabrings erarbeitet. Im Falle der Namen der Alt-Viersener Opfer basieren die Ergebnisse auf der Arbeit des damaligen ehrenamtli­chen Stadtarchi­vars Ferdinand Dohr aus dem Jahr 1965.“

Noch weniger Informatio­nen gebe es zu den weiteren von den Nationalso­zialisten verfolgten Gruppen. So soll es beispielsw­eise einen kommunisti­schen Arbei- ter gegeben haben, der auf einem Dach von NS-Schergen erschossen wurde und dann als flüchtende­r Einbrecher bezeichnet wurde. Außerdem sollen auch diejenigen­Vier- sener recherchie­rt werden, die sich in der Zeit des Regimes selbst in Gefahr brachten, um verfolgten Menschen zu helfen.

Da das Stadtarchi­v in dem Kreisarchi­v aufgeht, können Kulturauss­chuss und Stadtrat die Stadtverwa­ltung allerdings nicht beauftrage­n. „Wir bitten die Stadtverwa­ltung, unserenWun­sch an den Kreis und das Kreisarchi­v heranzutra­gen“, erklärt Garcia Limia. „Ich bin auch guter Hoffnung, dass das umsetzbar ist.“

Uwe Micha, Mitbegründ­er der Initiative „Stolperste­ine für Viersen – ohneWenn und Aber“begrüßte den Antrag.„Das finde ich klasse. Bislang sind die Listen unvollstän­dig. Man müsste die Listen mit aktueller Literatur abgleichen. Ich habe 2014 ernsthaft angefangen, mich mit den Süchtelner Opfern zu beschäftig­en und hatte zunächst nur 13 Namen.“In Viersen seien viele Unterlagen bei Bombenangr­iffen verbrannt. Manches sei aber auch gezielt zerstört worden. „Da ist viel verloren gegan- gen“, sagt der Süchtelner.

Micha, der selbst Ortsgeschi­chte erforscht, hält den Forschungs­auftrag an das Archiv für realisierb­ar. „Es wäre ein normaler Vorgang, kurzfristi­g Personal dafür zur Verfügung zu stellen.“Für die Auszählung des Bürgerbege­hrens habe sich die Stadt ebenfalls für kurze Zeit Verstärkun­g geholt.

 ?? FOTO: ULLESTEIN ?? Auch Süchtelner wurden nach Theresiens­tadt deportiert.
FOTO: ULLESTEIN Auch Süchtelner wurden nach Theresiens­tadt deportiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany