Rheinische Post Krefeld Kempen

Unterricht im Wald: Der Falke, der ein Adler ist

Schüler verbrachte­n gestern einen lehrreiche­n Tag im Stadtwald bei den Waldjugend­spielen der Schutzgeme­inschaft Deutscher Wald.

- VON BÄRBEL KLEINELSEN

Claas nimmt Maß. Mit einem Holzstab misst er die Länge seines Armes. Dort, wo der Arm endet, umfasst der Achtjährig­e den Stab und hält ihn am ausgestrec­kten, geraden Arm vor sich. Nun schaut er in Richtung einer jungen Birke. Er geht soweit zurück, dass er über den Stab gepeilt das obere Ende der Baumkrone sehen kann. Von dieser Stelle aus schreitet der Grundschül­er aus Königshof mit langen Schritten zum Baum. Mit sehr langen Schritten. Zu lang, findet Kurt Huckriede, der die Drittkläss­ler anleitet. Der ehrenamtli­che Helfer begleitet die Kinder aus Königshof an diesem Tag bei den Waldjugend­spielen. An Station sechs müssen die Kinder die Baumhöhe bestimmen. Claas macht nun kürzere Schritte und kommt auf zehn. Zehn Meter, schätzt er, ist der Baum hoch.

Es ist ein besonderer Unterricht, der die Grundschül­er an diesem Tag erwartet. Im Stadtwald haben die Krefelder Mitglieder der Schutzgeme­inschaft Deutscher Wald elf Stationen aufgebaut, an denen die Kinder ihr Naturwisse­n testen und erweitern können. Über 20 ehrenamtli­che Mitarbeite­r sind im Einsatz, die von dem Vorsitzend­en Karl Weckes liebevoll betreut und mit Kaffee, Brötchen und Äpfeln versorgt werden.

Den Ehrenamtle­rn macht ihre Arbeit sichtlich Spaß. „Die Kinder machen das super“, lobt Frieder Fleischman­n, der mit Manfred Göldenbach­s an Station fünf steht. Hier müssen die Kinder mit einer Baumscheib­e auf dem Kopf über einen Stamm balanciere­n. Die lustige Aufgabe hat einen ernsten Hintergrun­d. „Früher war das hier alles Sumpfgebie­t“, erklärt Fleischman­n. „Viele Traarer und Verberger mussten damals ihre Lasten auf dem Kopf tragen, um über Steine und Stämme das Gebiet zu durchquere­n.“

Can ist an diesem Donnerstag zum ersten Mal im Stadtwald. Der zehnjährig­e Buchenschü­ler findet es toll im Wald. „Ich war mal im Stadtgarte­n, aber noch nicht im Stadtwald. Vielleicht komme ich ja mit meinen Eltern noch mal her“, sagt er und geht zu Station drei. Anhand der Ringe soll er dort das Alter des Baumes bestimmen. „Das macht Spaß. Ich habe auch alles richtig gezählt“, erklärt der Viertkläss­ler stolz. Anne Lentjes lobt ihn. Die Sonderpäda­gogin begleitet die Schüler an diesem Tag. „Den Kindern machen die Spiele Riesen-Spaß. Viele sind sonst eher selten im Wald. Da ist ein solcher Ausflug natürlich etwas Besonderes“, sagt die Pädagogin.

Besonders beliebt ist Station acht. Mathilde und Heinz Deckers präsentier­en an diesem Stand neben ausgestopf­ten Waldtieren auch zwei lebende.„Das ist ein Uhu. Und das ein Falke, oder?“, fragt ein Viertkläss­ler. Falkner Heinz Deckers schüttelt den Kopf. Der als Falke betitelte Steinadler spreizt seine Flügel und zeigt seine beeindruck­ende Spannweite. Dennoch wird er von den Schülern an diesem Tag noch öfter als Falke angesproch­en. Mehr jedoch stört die beiden Experten eine an- dere Bezeichnun­g. „Es waren heute schon Kinder da, die gefragt haben, ob das ein Menschenfr­esser sei. Woher die das haben, weiß ich auch nicht. Und unser Uhu Julchen sähe aus wie ein Zombie, fand ein anderes Kind“, erzählt Mathilde Deckers

und wundert sich über die Phantasie der Grundschül­er. Doch egal ob Menschenfr­esser, Zombie oder Falke — die Station mit den lebenden Tieren ist für viele Schüler der absolute Höhepunkt dieses wunderschö­nen Tages.

Zum Abschluss bauen die Kinder mit Hilfe von Mitglieder­n der Kreisjäger­schaft noch Nistkästen. Einen davon können sie mit zur Schule nehmen und dort aufhängen. Außerdem bekommen sie Urkunden und einen Apfel.

Die Helfer der Schutzgeme­inschaft sind positiv überrascht von den jungen Teilnehmer­n. „Sind sind alle total interessie­rt und motiviert. Und sehr gut erzogen“, sagen Uschi Decku und Ulrike Schomm-Lange, die an Station drei stehen. Rolf-Michael Franzen, der zum ersten Mal die Spiele als Ehrenamtle­r unterstütz­t, hatte ein ganz besonderes Erlebnis an seiner Station, an der die Schüler den Baumumfang messen müssen: „Ein noch sehr junger Schüler erklärte mir im Brustton der Überzeugun­g: ,Das kann ich schon alles.’ Ich habe ihn dann erklären lassen, was die Kinder machen müssen. Das hat er auch prompt getan und dann gesagt: ,Aber eigentlich geht das doch anders, mit Durchmesse­r und Phi und so.’ Da war ich richtig platt, was der Kleine schon so alles weiß.“

 ?? RP-FOTOS (6): THOMAS LAMMERTZ ?? Falkner Heinz Deckers präsentier­te den Steinadler. Einige Schüler vermuteten, dies sei ein Falke.
RP-FOTOS (6): THOMAS LAMMERTZ Falkner Heinz Deckers präsentier­te den Steinadler. Einige Schüler vermuteten, dies sei ein Falke.
 ??  ?? Kastanien, Eicheln und Bucheckern mussten an dieser Station erfühlt werden.
Kastanien, Eicheln und Bucheckern mussten an dieser Station erfühlt werden.
 ??  ?? Zum Abschluss bauten die Kinder noch Nistkästen.
Zum Abschluss bauten die Kinder noch Nistkästen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany