Rheinische Post Krefeld Kempen
Bitcoin und Blockchain – Investmentchance oder heiße Luft?
Natürlich befassen sich Finanzexperten wie die Unabhängigen Vermögensverwalter auch mit den aktuellen Trends der Finanztechnologie. Kunden fragen sie nach Bitcoin und Blockchain, da ist es wichtig, sich selbst Klarheit über die Entwicklungen zu verschaffe
Karsten Müller (Chainberry), Digitalexperte und bereits in den 90er-Jahren vorne dabei (er erfand den ersten InternetAktienfonds), hat ein plastisches Bild dafür, was die Blockchain-Technologie ist: „eine weltumspannende Legoplatte!“Jeder kann darauf seine Steine bauen, um Geschäfte zu machen. Neu nur: Die Bausteine kommunizieren auch untereinander, mit Hilfe künstlicher Intelligenz treffen sie selbst Entscheidungen über künftige Transaktionen. Bezahlt werden diese Transaktionen mit virtuellen Währungen wie etwa Bitcoin, die selbst wiederum auf BlockchainTechnologie beruhen. Müller hält die Blockchain-Technologie für so zukunftsweisend, dass er gemeinsam mit Hansainvest den ersten Blockchain-Aktienfonds Deutschlands aufgelegt hat.
Derzeit fragen sich viele, wie man dies für die Allgemeinheit investierbar machen kann. Vieles erinnere dabei an die Zeit des Neuen Marktes vor der Jahrtausendwende, wirft Axel Daffner (Pegasos) ein. „Die Blockchain wird vieles verändern, zum Beispiel die Strukturen der Arbeit. Wir treten in ein neues Zeitalter.“Wie Anleger profitieren können? Daffner erinnert an die Goldrausch- Zeiten, in denen nur wenige Goldgräber reich wurden, durchaus aber die, die ihnen Schaufeln und Werkzeuge verkauften.
An den Neuen Markt fühlt sich Johannes Hirsch (antea) ebenfalls erinnert. Später hätten sich viele Dinge erfüllt, die damals prognostiziert wurden, allerdings durch andere Unternehmen als die zunächst gehypten Protagonisten. „Die Blockchain wird sich massiv auf viele Bereiche unseres Lebens auswirken. Welche Währungen sich aus dieser Technologie aber durchsetzen werden, ist noch offen“, ist Hirsch überzeugt.
Die neuen Technologien seien interessant, aber Unabhängige Vermögensverwalter dürften nicht direkt mit Bitcoins handeln, schränkt Jens Hartmann (ficon Börsebius) ein. Anlageinvestitionen seien über Zertifikate oder ETFs möglich. Hartmann rät aber zur Vorsicht: Anleger seien neugierig, dann siege oft die Gier. Besser sei es, Unternehmen in den Blick zu nehmen, die sich mit den neuen Technologien befassen.
Christian Köpp (Oberbanscheidt & Cie.) will hingegen lieber „nach alter Schule investieren: Wir kaufen nur, was wir verstehen.“Köpp betont die Verantwortung, die Vermögensverwalter beim Umgang mit Kundengeldern tragen, „und ich will dem Kunden die Investments erklären können“. Doch auch er hält es für denkbar, dass man in Zukunft Bitcoin-Konten so wie heute Dollar-Konten führe.
Kathrin Eichler (Eichler & Mehlert) hat eine klare Meinung zum Thema: Wenn Kunden in Bitcoin investieren wollen, rät sie ihnen, es auf eigene Verantwortung und Rechnung zu tun, nicht in der Vermögensverwaltung. „Der klassische Kunde hat es aber noch nicht nachgefragt.“
„Wir werden oft darauf angesprochen“, stellt andererseits Thomas Wolff (Scalable Capital) fest. „Jeder liebt Erfolgsstories.“Wolf betont aber ebenfalls die Verantwortung der Vermögensverwalter: „Wir werden nicht auf jeden neuen Trend sofort aufspringen.“Denn historisch folge einem Hype oft die Blase, danach erst stelle sich heraus, wer und was bleibt.
„Wo und wie wird Blockchain konkret eingesetzt?“, fragt Thomas Hünicke (WBS Hünicke) auf der Suche nach Informationen, wie sich die Technologie heute in Verträgen, technischen Daten und Prozessen denn schon zeige. Müller und Hartmann haben da einige Beispiele parat: Beteiligung verschiedener Partner an logistischen Projekten oder auch Transportketten bei Containern.
Felix Brem (Reuss Private) halt die Diskussion für „typisch europäisch”: „Wir wollen verstehen, sind aber zurückhaltend. In den USA verstehen viele nicht, machen aber. Und in Asien lassen sich viele vom Spieltrieb leiten; sie wollen Geld verdienen.“
Natürlich befassen sich auch die Dienstleister der Vermögensverwalter mit den Technologien. Stefan Klein (Hansainvest) betont wie die Experten zuvor die klare Trennung von Blockchain und Währungen. Aus Sicht einer Kapitalverwaltungsgesellschaft sei zunächst nur die Blockchain-Technologie zu verstehen. „Wir bekommen auch Anfragen zu Kryptowährungen, können hier aber die Gefahrenlage nicht einschätzen.“
Universal-Investment lege einen starken Fokus aufs Thema Digitalisierung, fügt Marcus Kuntz hinzu. Die Themen Blockchain und Kryptowährungen seien hingegen hochspekulativ, „und wir müssen unterscheiden zwischen spekulativen Investments und einer langfristigen Vermögensanlage“. Wobei man hier genau hinschauen müsse: Generell sei es natürlich schon sinnvoll, in neue Technologien zu investieren, wenn die Investments langfristig und visionär sind. (jgr) Spricht man über Digitalisierung, fallen bald schon Begriffe wie Blockchain und Bitcoin – und es wird bunt gemischt, was eigentlich strikt getrennt zu beschreiben wäre. Über die Zusammenhänge und diese neuen Technologien und Anwendungen informiert der Digitalexperte Kilian Thalhammer die Finanzexperten beim RP-Wirtschaftsforum „Unabhängige Vermögensverwalter“. Thalhammer ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich FinTech, eCommerce und neue Bezahlmethoden unterwegs und kann auf einen entsprechenden Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Blockchain ist zunächst einmal eine Technologie, die Datensätze kombiniert und mit Hilfe kryptografischer Verfahren verkettet. „Sie wird für viele Anwendungen genutzt, und vieles wird hier gerade ausprobiert“, erklärt der Experte. Eine Anwendung ist eben das Kryptogeld. Es gibt zahlreiche Kryptowährungen, nicht nur Bitcoin. Sie sei derzeit aber eine Art Leitwährung, sagt Thalhammer.
Wie unterscheiden sich die Kryptowährungen von den herkömmlichen? Letztere werden zentral gesteuert durch Notenbanken, was ihnen die Sicherheit gibt. Die Kryptowährungen hingegen laufen dezentral und sind gesichert durch die Blockchain-Technologie, die alle Aktionen für alle sichtbar hält. Man tauscht sie an speziellen Börsen oder bei Händlern, bewahrt sie in „Wallets“auf, elektronischen Geldbörsen, die man durch Diebstahl verlieren könne wie echte Portemonnaies auch, vergleicht Thalhammer. Da auf diesem Gebiet vieles noch neu und alles in Bewegung ist, gebe es verschiedene Börsen und Währungen, die meist nicht verbunden seien.
Eine Währung dient ja eigentlich zum Bezahlen von etwas, doch auch Investoren haben Bitcoin und andere Kryptowährungen als Anlagemög-
„Wir befinden uns immer noch in einer sehr frühen
Phase der Entwicklung“
lichkeit entdeckt. Es gibt ETFs und Zertifikate. Vieles sei auch hier noch offen und in Bewegung, erklärt Thalhammer. Groß sei das Interesse auch in Ländern, die selbst über instabile Währungen verfügen. Da seien selbst volatile Bitcoins als Alternative gefragt.
Die Risiken verschweigt der Digitalexperte nicht. Neben der Volatilität sind das mögliche Betrügereien, staatliche Eingriffe durch Regulierung, aber auch der Wettbewerb der Währungen untereinander: „Der Weg ist noch nicht klar vorgezeichnet. Wir befinden uns immer noch in einer sehr frühen Phase der Entwicklung.“