Rheinische Post Krefeld Kempen
Beim Mord belauscht
In der Affäre um den vermissten saudi-arabischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi gibt es Medienberichten zufolge Ton- und Videoaufnahmen, die seine Ermordung im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul belegen sollen.
WASHINGTON/ISTANBUL Türkische Sicherheitsbehörden wollen bei einer Abhöraktion im Konsulat von Saudi-Arabien in Istanbul Beweise für den mutmaßlichen Mord an dem regierungskritischen saudischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi gesammelt haben. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen gebe es Ton- und Videoaufnahmen der entscheidenden Stunden nach Chaschukdschis Verschwinden vorige Woche, berichteten die „Washington Post“und die „New York Times“. Auch ein regierungsnaher türkischer Journalist sprach von Videoaufnahmen aus dem Konsulat. Saudi-Arabien weist alle Vorwürfe als haltlos zurück und spricht von einer Kampagne gegen das Königreich. Dennoch bekommt das Land erste wirtschaftliche Folgen zu spüren.
Türkische Ermittler haben seit Chaschukdschis Verschwinden mehrfach von eindeutigen Beweisen für ein Verbrechen gesprochen. Auf Tonaufnahmen aus dem Konsulat sind den Zeitungsberichten zufolge die Stimmen von Chaschukdschi und anderer Arabisch sprechender Männer sowie Schläge zu hören. Auch Kemal Öztürk, ein Kolumnist der regierungsnahen Zeitung „Yeni Safak“, erklärte vor einigen Tagen, es gebeVideoaufnahmen vom mutmaßlichen Mord an Chaschukdschi.
Hinter verschlossenen Türen könnten die Abhörbänder auch der US-Regierung vorgelegt worden sein. Trotz der Erkenntnisse äußerte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan aber bisher betont zurückhaltend. Die Türkei wolle offenbar nicht selbst den Beweis dafür liefern, dass sie ausländische Vertretungen abhöre oder Informanten dort einschleuse, meldete die „Washington Post“. Offiziell ist die Türkei bereit, zusammen mit Saudi-Arabien zu ermitteln. Eine Delegation aus Riad traf am Freitag in Ankara ein. Laut Medienberichten treibt die türkische Polizei aber auch ihre eigenen Mordermittlungen voran. „Yeni Safak“zufolge wollen die Fahnder in den kommenden Tagen auf dem Gelände der Residenz des saudischen Konsuls in Istanbul nach Chaschukdschis Leiche suchen.
In Saudi-Arabien selbst werden die Vorwürfe als „schwarze Propa- ganda“abgetan, wie es in der englischsprachigen Zeitung „Riyadh Daily“hieß. Die Türkei ist ein enger Partner des Emirats Katar, das mit Saudi-Arabien im Streit liegt. Aber auch internationale Medien hätten sich dieser Kampagne angeschlossen, wird in Riad beklagt. Die saudische Regierung betont, Chaschukdschi habe das Konsulat lebend verlassen.
Wegen der vielen unbeantworteten Fragen gerät Saudi-Arabien im- mer mehr in die internationale Isolation. Der britische Milliardär und Philanthrop Richard Branson sagte geplante Projekte in dem Land mit Hinweis auf den mutmaßlichen Mord an dem Journalisten ab. Andere Unternehmer, darunter der Chef des Fahrdienstes Uber, Dara Khosrowshahi, und hochrangige Vertreter internationaler Medien strichen mit derselben Begründung ihre Teilnahme an einer Konferenz in Saudi-Arabien.
Auch im US-Kongress mehren sich Stimmen, die dem Weißen Haus nahelegen, den Schmusekurs gegenüber Riad zu beenden. Es ist Bob Corker, ein moderater Republikaner, der am schnörkellosesten beschreibt, was für eine Beziehungskrise heraufziehen könnte zwischen den Vereinigten Staaten und ihrem ältesten Verbündeten in der arabischen Welt. Das Maß an Verständnis, das man Saudi-Arabien im Kongress entgegenbringe, sei schon jetzt auf einen historischen Tiefpunkt gesunken, warnt der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats.
22 Senatoren, Demokraten wie Republikaner, haben mit einem Schreiben an Präsident Donald Trump einen Prozess eingeleitet, der mit Sanktionen enden kann. Demnach muss der Präsident innerhalb von 120 Tagen geklärt haben, was Chaschukdschi widerfuhr, als er das Generalkonsulat Saudi-Arabiens in Istanbul aufsuchte, da er Dokumente brauchte, um seine türkische Lebensgefährtin heiraten zu können. Kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass der Publizist ermordet wurde, hat Trump zu entscheiden, ob Strafmaßnahmen gegen eventuelle Hintermänner folgen. Die Senatoren berufen sich bei ihrem Vorstoß auf den Magnitsky Act, ein Gesetz, das 2012 verabschiedet wurde, nachdem der russische Anwalt Sergei Magnitsky unter dubiosen Umständen im Gefängnis gestorben war. Zunächst nur mit Blick auf Russland beschlossen und später erweitert, ermöglicht es die Novelle, Menschenrechtsverletzungen in aller Welt durch gezielte Strafen gegen die Verantwortlichen zu ahnden.
Obwohl es noch keine Beweise gibt, sehen es die meisten im Kongress so wie Corker, der sagt, nach allem, was er bisher wisse, führe die Spur nach Riad.