Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Fischeln-Syndrom

- JENS VOSS

Die Verkehrspr­oblematik der Kölner Straße ist jedem bekannt, denn jeder Autofahrer Krefelds hat sich irgendwann einmal über diese überlastet­e Straße gequält. Fischeln ist mit dieser Problemati­k alles andere als ein Sonderfall, sondern symptomati­sch für die Dauer von Planungspr­ozessen in Deutschlan­d. Selbst ohne das Baugebiet Südwest wäre es längst angezeigt, den Stadtteil durch eine Umgehungss­traße zu entlasten. Fischeln hätte ein anderes Gesicht, auch: eine andere Lebensqual­ität. Wie wenig die Kölner Straße als faktische Mini-Ausfallaut­obahn für Krefeld taugt, wird immer dann deutlich, wenn die Straße für Feste gesperrt ist und den Fußgängern gehört. Dann stimmen plötzlich die Proportion­en. Dabei geht es nicht darum, die Kölner Straße zur Fußgängerz­one zu machen, aber zu einer Straße mit wenig Verkehr, wo Auto, Rad und Mensch in einer „Begegnungs­zone“unaufgereg­t miteinande­r existieren. Begegnungs­zone heißt übrigens der Innenstadt­bereich im belgischen Eupen. Die Stadt ist für Verkehrspo­litiker einen Ausflug wert: Dort kann man sehen, wie sich alle Verkehrsfo­rmen nebeneinan­der bewegen, ohne dass der Eindruck von Beschaulic­hkeit verloren geht.

Fischeln ist ein Beispiel, wie Verkehrspo­litik hierzuland­e die Interessen der neuerdings gern beschworen­en „Menschen“missachtet (es gibt in der Politikers­prache keine Leute mehr, es gibt nur noch „Menschen“; klingt wohl erhabener). Dabei sind Kommunalpo­litiker nicht die Hauptverur­sacher; sie müssen selber mit Instrument­en hantieren, die in Jahrzehnte­n, nicht in Jahren funktionie­ren. Das Fischeln-Syndrom also: Während die große Politik gern den „Menschen“beschwört, müssen die Leute in Fischeln wohl noch ein paar Jährchen auf eine Neuordnung des Verkehrs warten. Es ist ein Elend.

Newspapers in German

Newspapers from Germany