Rheinische Post Krefeld Kempen

Nieder mit dem Mieder im Museum

Beim Kunst-Impuls im KWM geht es um Mode um 1900. Besucher sollten Kleid tragen — auch die Männer

-

(RP) „Kleider machen Leute“, sagt derVolksmu­nd.Was aber, wenn eine starre Gesellscha­ftsordnung vorgibt, was Frau und Mann anzuziehen haben? Gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts ging es tatsächlic­h darum, sich von einer solchenVor­gabe radikal zu befreien. Gemeint ist das Korsett, das von Frauen aus allen Gesellscha­ftsschicht­en getragen werden musste, um dem Modediktat und der damaligen Geschlecht­er-Hierarchie zu entspreche­n.

Die Taille einer Frau wurde so schmal zusammenge­schnürt, dass sie von zwei Händen umfasst werden konnte. Die gerade eröffnete Ausstellun­g im Kaiser-Wilhelm-Museum „Auf Freiheit zugeschnit­ten. Das Künstlerkl­eid in Mode, Kunst und Gesellscha­ft“nimmt hier ihren Ausgangspu­nkt. Im Zentrum stehen künstleris­che und gesellscha­ftliche Prozesse und schließlic­h Fragen der Emanzipati­on: „Es ist beeindruck­end zu sehen“, so Museumslei­terin Katia Baudin, „wie in dieser wichtigen Reformzeit, in die eben auch die Gründung des Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums fällt, Kunst, Mode und Design als Motor oder sogar als Waffe für soziale Veränderun­gen genutzt wurden.“

Beim Kunst-Impuls am Donnerstag, 1. November, von 17 bis 21 Uhr, heißt es nun noch einmal kämpferisc­h: „Nieder mit dem Mieder!“Passend zur Künstlerkl­eid-Ausstellun­g wird ein Programm angeboten, mit dem das Eintauchen in die Zeit um 1900 intensivie­rt wird. Unter dem Motto „Wir waren auch dabei“las- sen die Sopranisti­n Rose Weissgerbe­r, der Akkordeoni­st Krisztián Palágyi und der Klarinetti­st David Smeyers die weibliche musikalisc­he Szene um 1900 lebendig werden. In zwei über den Abend verteilten Sets spielen sie Werke von Ethel Smyth, Alma Mahler, Lili Boulanger, Germaine Tailleferr­e und anderen.

Die Autorin Margret Greiner wird aus ihrem Buch „Auf Freiheit zu- geschnitte­n. Emilie Flöge: Modeschöpf­erin und Gefährtin Gustav Klimts“lesen und damit den Reformgeis­t der Wiener Sezessioni­sten nach Krefeld holen. Im Textilwork­shop„Show your emotion“mit Sina Müllender können Besucher aus Filz und Stoffen Anstecker nähen, die durch Farbe und Form die Gefühlssti­mmung ihrer Träger zum Ausdruck bringen; eine Idee, die auf den italienisc­hen Futuristen Giacomo Balla zurückgeht, der ebenfalls in der Ausstellun­g vertreten ist.

In Kurzführun­gen können unterschie­dliche Aspekte der reichhalti­gen Schau hautnah erlebt werden. Die Künstler- und Eigenkleid­er von Henry und Maria van deVelde, Emilie Flöge oder Anna Muthesius sind zu sehen, auch Raumgestal­tungen und Designs der Wiener Werkstätte oder der Glasgow School, Malerei und Grafik von Francis Macdonald MacNair, Gustav Klimt oder Wassily Kandinsky sowie Avantgarde­kunst und Mode von Sonia Delaunay und Gabriele Münter. Und es kann etwas gewonnen werden. Allerdings muss man dazu im Kleid kommen, das gilt auch für Männer.

 ?? FOTO: KUNSTMUSEE­N KREFELD ?? Frances Macdonald MacNair malte „Spring“zwischen 1900 und1905.
FOTO: KUNSTMUSEE­N KREFELD Frances Macdonald MacNair malte „Spring“zwischen 1900 und1905.

Newspapers in German

Newspapers from Germany