Rheinische Post Krefeld Kempen
Neuer Standort für die Feuerwehr?
An der Virmondstraße 115 in Neersen herrscht Unmut. Die gewerblichen Mieter des Objektes haben allesamt eine Kündigung vom neuen Besitzer erhalten. Es handelt sich um die Grundstücksgesellschaft der Stadt Willich.
NEERSEN Ein Eigentümerwechsel bringt oft Ärger mit sich. Für neun Gewerbebetriebe an der Virmondstraße 115 bedeutet er aber noch viel mehr: Er bedroht deren Existenz. Die Odin-Immobiliengesellschaft veräußerte das 11.123 Quadratmeter große Grundstück vor wenigen Wochen an die Grundstücksgesellschaft (GSG) der Stadt Willich. Und mit dem Besitzerwechsel kamen die Kündigungen.
Bei einem Ortstermin informierte Willy Kerbusch, Geschäftsführer der GSG sowie Erster Beigeordneter und Kämmerer der StadtWillich, die Unternehmen über den Wechsel und kündigte ein Ende der Mietverhältnisse an. Wobei diesem Besuch vor wenigen Tagen die angekündigte schriftliche Kündigung folgte. „Mir ist zum 1. September 2019 gekündigt worden“, berichtet der junge Tischlermeister Erik Seffern, der an der Virmondstraße 115 vor zwei Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte und nun nicht weiß, wie es weitergehen soll. Nun muss er neue, bezahlbare Räumlichkeiten finden – und das ist nicht einfach. Ein Problem, vor dem alle Unternehmen stehen, die dort teilweise seit etlichen Jahren ansässig sind. „Wir wollen helfen, vertretbare neue Ersatzräume für die Unternehmen zu finden. DieWirtschaftsförderung ist bereits beauftragt, die Profile der Unternehmen abzufragen, damit wir genau wissen, was benötigt wird“, sagt Kerbusch.
Der Gebäudekomplex selbst soll abgerissen werden. Die Virmondstraße 115 könnte dann ein Standort für den Löschzug Neersen der Freiwilligen Feuerwehr Willich werden – allerdings sind dafür auch noch andere Grundstücke im Gespräch.
Das Grundstück als solches ist nicht unumstritten, da es Altlasten birgt. Laut Kerbusch ist die Odin-Immobiliengesellschaft an die GSG herangetreten und hat das Grundstück zum Kauf angeboten, da dort weitere Bodensanierungsmaßnahmen anstehen, die der Besitzer nicht mehr tragen wollte. Auf dem im Jahr 1951 erbauten Komplex befand sich schon immer eine Viel- zahl kleinerer gewerblichen Betriebe, unter anderem eine Schreinerei und ein metallverarbeitender Betrieb. Dazu kam eine Hutfabrik. Dieser war eine chemische Reinigung angegliedert, in der das Reinigungsmittel Perchlorethen aus der Gruppe der chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) eingesetzt wurde. In derVer-
Willy Kerbusch gangenheit war nicht bekannt, dass Betonböden keine wirksame Sperrschicht für CKW darstellen. Insofern ist das flüssige Perchlorethen durch den Fußboden und die Kanäle in den Untergrund diffundiert und damit ins Grundwasser gelangt. Durch Grundwasserverunreinigungen im Bereich des Nierssees wurde im Jahr 1999 durch nachfolgende Grundwasseruntersuchungen der Ausgangspunkt der Belastung auf dem Grundstück an der Virmondstraße. ermittelt. Nach weiteren Boden- und Grundwasseruntersuchungen erfolgte ein Bodenaustausch im Bereich einer ehemaligen Klärgrube. Zudem wurde im bestehenden Betriebsgebäude eine Bodenluftsanierung vorgenommen. Seit dem Jahr 2000 ist zudem im unmittelbaren Abstrom auf dem Grundstück eine Grundwassersanierung in Betrieb. Hierbei wurden rund 300.000 Kubikmeter kontaminiertes Grundwasser abgepumpt und mit Aktivkohle gereinigt. Dadurch konnte die über 700 Meter lange Schadstoffahne nahezu vollständig aufgelöst werden. „Mit den beschriebenen Verfahren wurden bisher bereits mehr als zehn Tonnen hochbelasteter Böden und Grundwasser entsorgt beziehunhsweise abgereinigt“, informiert die Untere Bodenschutzbehörde des Kreises Viersen auf Nachfrage.
Vor wenigen Monaten wurden in dem Betriebsgebäude bisher nicht bekannte Belastungsbereiche loka- lisiert. Nach dem derzeitigen Planungsstand sollen diese nach dem Rückbau des Gebäudes ausgekoffert und entsorgt werden. Es handelt sich um verunreinigte Bodenpartien unterhalb zweier alter Gruben und einer alten Abwassertrasse. Zudem wird Anfang November eine optimierte Grundwassersanierungsanlage für voraussichtlich zwei Jahre in Betrieb gehen. Die Kosten für die beschriebenen Sanierungsaufwendungen wurden laut Aussagen des Kreises Viersen von einem Gutachter auf 100.000 Euro geschätzt. Kosten, die die Stadt Willich zu tra- gen hat. „Die weitere Säuberung des Grundwassers über die Grundwassersanierungsanlage kann auch stattfinden, wenn das Grundstück schon wieder neu genutzt wird. Für das Auskoffern gilt das nicht. Wie intensiv der Boden ausgekoffert werden muss, wird erst festgelegt, wenn die Nachfolgenutzung klar ist“, heißt es aus der Abteilung Bodenschutz und Altlasten des Kreises Viersen.
Die laufenden und geplanten Sanierungsarbeiten unterliegen den Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Eine Gefährdung besteht nur für das Grundwasser. Dies begründete auch die erforderlichen Abwehrmaßnahmen, um eine ungehinderte Ausbreitung des Schadens in den weiteren Abstrom zu unterbinden.
„Wir wollen helfen, vertretbare neue Ersatzräume für die Unterneh
men zu finden“
Erster Beigeordneter