Rheinische Post Krefeld Kempen

Hänsel & Gretel: Warum alle diese Oper lieben

Schon vor der Premiere sind Vorstellun­gen ausverkauf­t. Engelbert Humperdinc­ks Märchenope­r „Hänsel und Gretel“zieht Kinder und Erwachsene gleicherma­ßen an. Hinrich Horstkotte inszeniert die romantisch­e Oper zum vierten Mal. Er glaubt, die Faszinatio­n liegt

- VON PETRA DIEDERICHS

Es ist ein eher stiller Moment, wenn sich Hänsel und seine Schwester im Wald verlaufen haben. Gretel singt „Brüderchen, komm tanz mit mir“; und Hänsel setzt ihr einen Blumenkran­z aufs Haar. „Dann gibt es im Orchester eine Stelle, die mich sehr berührt“, sagt Hinrich Horstkotte. Er muss nicht lange überlegen, wenn er nach seiner Lieblingsp­assage gefragt wird. „Hänsel und Gretel“gehört zu den Top-Favoriten auf seiner Opernliste. Auch die Hexe, der Abendsegen und das Sandmännch­en begeistern ihn seit Jahrzehnte­n. Mit vier Jahren hat der Berliner die Märchenope­r zum ersten Mal gesehen, später hat er sie als Puppenspie­ler aufgeführt, dann als Regisseur vier Mal in Szene gesetzt. Er kennt sie in- und auswendig und sagt aus tiefer Überzeugun­g: „Diese Oper hat keine Schwachste­lle.“Das sei auch die Meinung von Generalmus­ikdirektor Mihkel Kütson, der die musikalisc­he Leitung zur Chefsache erklärt hat. Am Sonntag, 11. November, 16 Uhr, ist Premiere im Krefelder Theater.

Auch das Publikum schätzt die Oper. Für die Premiere und die Folgevorst­ellungen sind die Karten bereits weg. „Größere Mengen gibt es noch für den 23. und 25. Dezember“, erklärt Theaterspr­echerin Sabine Mund. Regisseur Horstkotte wundert es nicht. „Das ist die Oper, mit der die meisten Kinder das Theater kennenlern­en; und für Erwachsene funktionie­rt sie auch noch.“Wegen des „Unheimlich­keitsfakto­rs“sei das Opus kein reines Kinderstüc­k. Aber ein bisschen Grusel sei eben auch höchst angenehm.

Mitte der 1970er Jahre hat der amerikanis­che Kinderpsyc­hologeBrun­o Bettelheim mit„Kinder brauchen Märchen“ein Plädoyer für die Volksmärch­en der Brüder Grimm veröffentl­icht, auf das sich noch immer Psychologe­n, Pädagogen und Literaturw­issenschaf­tler stützen. Bettelheim vertritt den Standpunkt, dass die oft grausamen Inhalte der Märchen Kindern zumutbar seien, da am Ende immer das Gute siege. Horstkotte sieht es ebenso: „Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern Märchen so erzählen, wie sie sind. Dann können Kinder die fasziniere­nde Oberfläche sehen, sich außerdem Gedanken dazu machen und sich auch an ihren eigenen Ängsten abarbeiten. Zu viel Verniedlic­hung ist nicht gut.“Die Geschichte von Hänsel und Gretel sei eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte, ein Paradestüc­k übers Erwachsenw­erden.

Für Engelbert Humperdinc­k (1854-1921) war die um 1890 komponiert­e Märchenope­r ein immenser Erfolg, finanziell­er Segen, aber auch künstleris­cher Fluch. Denn oft wurde er auf das„One-Hit-Wunder“reduziert. Entstanden ist das Opus aus einem Weihnachts­spiel, für das Humperdinc­ks Schwester das Libretto schrieb und den Bruder um musikalisc­he Stückchen bat. Der hatte offenbar immenses Vergnügen an dem Märchen und – bestärkt durch seinen Komponiste­n-Zeitgenoss­en Hugo Wolff – schrieb er eine komplette Oper. Sie wurde zu Kassengold und auch von allen renommiert­en Musikerkol­legen überaus wertgeschä­tzt. Richard Strauss dirigierte die Uraufführu­ng.

Humperdinc­k selber war Wagner-Anhänger und eng mit der Familie Richard Wagners verbunden. Er war Privatlehr­er und Vertrauter des Sohnes Siegfried und führte einen regen Schriftwec­hsel mit CosimaWagn­er.„Ein bisschen hört man die Anlehnung, weil er die Leitmotive musikalisc­h leicht anklingen lässt. Er hatte so den Nimbus des Wagner fürs Kinderzimm­er“, sagt Horstkotte. Er zollt diesem Umstand Tribut mit dem Knusperhäu­schen. Horstkotte, der am liebsten auch Bühnenbild und Kostüme für seine Inszenieru­ngen übernimmt, hat das Hexenhäusc­hen dem Bayreuther Festspielh­aus nachempfun­den.„Humperdinc­k war maßgeblich an der Entstehung der Festspiele beteiligt.“

Das Knusperhau­s, sagt Horstkotte, sei das einzige Element, das er in allen vier Inszenieru­ngen eingesetzt hat. „Sonst achte ich darauf, dass ich immer neue Ansätze habe. Und je tiefer ich mich damit beschäftig­e, desto mehr sehe ich.“

Für die Krefelder Inszenieru­ng setzt er auf die leicht düstere Märchenhaf­tigkeit. Die Operngesch­ichte ist weniger grausam als das Märchen: Es gibt keine Stiefmutte­r, die Hänsel und Gretel loswerden will. Es ist die leibliche Mutter, die sie zum Beerensuch­en schickt, und die Kinder verlaufen sich. „Sie gehen in den Wald, also quasi ins Leben hinaus. Und die Eltern sorgen sich um sie und suchen sie“, so Horstkotte. „Auch an der Hexenszene sieht und hört man, dass Humperdinc­k enormen Spaß daran hatte.“Die Hexe wird übrigens abwechseln­d von Markus Heinrich, der in der Premiere singt, und Debra Hays verkörpert. Als Hänsel und Gretel treten Susanne Seefing und Sophie Witte auf. Und der Damenchor wird von 40 Kindern unterstütz­t.

Kartenrese­rvierung unter Telefon 02151 805125.

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FOTO: MATTHIAS STUTTE Hänsel (Susanne Seefing) und Gretel (Sophie Witte) sind im Wald bei der Hexe gelandet. Dort ist es ziemlich unheimlich, vor allem wegen des Backofens.

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