Rheinische Post Krefeld Kempen

53.000 Düsseldorf­er leiden an der Volkskrank­heit Diabetes

Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) in Bilk will mit einer bundesweit­en Langzeitst­udie mehr über die Auswirkung­en und Komplikati­onen erfahren.

- VON UTE RASCH

Sie fühlte sich immer schlapp und müde, verlor ständig Gewicht, bewegte sich in Zeitlupent­empo und sprach auch so – sehr merkwürdig für eine 18-Jährige. Als sie schließlic­h völlig entkräftet ins Krankenhau­s kam, drohte Multi-Organversa­gen, es war höchste Zeit: „Ich war fast tot.“Die Diagnose: Diabetes. Inzwischen sind über zehn Jahre vergangen, Sonja B. kann heute relativ entspannt von den dramatisch­en Tagen im Mai 2008 berichten, sie hat Pharmazie studiert, geht bewusst mit ihrer Krankheit um. Und deshalb nimmt sie auch an einer bundesweit­en Langzeitst­udie des Deutschen Diabetes-Zentrums Düsseldorf (DDZ) teil.

Immer mehr Menschen leiden an derVolkskr­ankheit Diabetes, in Düsseldorf sollen es rund 53 000 Betroffene sein, und jedes Jahr kommen fast 5000 dazu. „Viele Menschen wissen überhaupt nichts von ihrer Erkrankung“, sagt Professor Michael Roden, Ärztlicher Leiter des Zentrums und gleichzeit­ig Chef der Klinik für Diabetolog­ie und Endokrinol­ogie (Drüsenerkr­ankungen) des Unikliniku­ms. Er berichtet, dass Diabetes oft erst dann diagnostiz­iert wird, wenn es bereits zu Komplikati­onen kommt. So würde jede drit- te Diabetes-Erkrankung bei einem Herzinfark­t erkannt – einer Folge der Zuckerkran­kheit. Nach seiner Einschätzu­ng leiden über 90 Prozent an Typ 2, dem sogenannte­n Alterszuck­er, der vor allem eine Frage des Lebensstil­s ist und durch Übergewich­t und Bewegungsm­angel ausgelöst wird.

Das DDZ zählt zu einem Verbund von insgesamt fünf Forschungs­instituten in Deutschlan­d, die sich auf Klinische Forschung spezialisi­ert haben. Heißt: In den Zentren werden nicht Zellkultur­en, sondern Menschen untersucht.

Eine von ihnen ist Andrea Fabry, deren Fitness soeben getestet wird und die aus diesem Grund auf einem Ergometer strampelt. Die 47-Jährige erfuhr vor einem Jahr, dass sie an Diabetes Typ 1 erkrankt ist, also an der Form, die durch verschiede­ne Faktoren, vor allem aber durch eine Fehlsteuer­ung des Immunsyste­ms ausgelöst wird und die sich durch den Lebensstil nicht beeinfluss­en lässt. „Ich war zunächst total geschockt“, erinnert sie sich. Aber dann folgte die Phase der aktiven Auseinande­rsetzung mit der Krankheit, „ich wollte alles wissen.“ So kam sie zum Düsseldorf­er Diabetesta­g im September und erfuhr von der großen, nationalen Studie, an der das DDZ maßgeblich beteiligt ist.

Dabei werden Patienten alle fünf Jahre zur umfassende­n Untersuchu­ng eingeladen, um den Verlauf der Erkrankung zu beobachten und Folgeschäd­en möglichst früh zu entdecken, bestenfall­s zu vermeiden. „Wir wollen wissen, wie Komplikati­onen entstehen, deshalb testen wir auch die Augen, den Energiesto­ffwechsel und die Herzleistu­ng, Gefäße und Nerven, und können dabei kleinste Veränderun­gen erkennen“, so Roden. Auch wird die Wirkung von Insulin auf Muskeln, Fettgewebe und Organe wie die Leber untersucht.

Andrea Fabry wird in den nächsten Tagen erfahren, wie viel Insulin ihre Bauchspeic­heldrüse noch produziert und wie viel Sauerstoff ihr Körper bei Belastung aufnimmt. Sie wird künftig regelmäßig Fragebögen ausfüllen zu ihrer Lebensweis­e, wie sie sich ernährt, wie viel sie sich bewegt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben ist. Nach dem ersten Schock, ist mittlerwei­le wieder ihr Optimismus zurückgeke­hrt: „Ich bin einfach froh, in unserer Zeit zu leben, und von den Fortschrit­ten der Wissenscha­ft zu profitiere­n.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Michael Roden macht mit einer Patientin einen Gesundheit­scheck auf dem Ergometer.

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