Rheinische Post Krefeld Kempen

Diebe und Plünderer müssen mit Erschießun­g rechnen

Der Vorster Arbeiter- und Soldatenra­t rief 1918 die Bevölkerun­g zu Ruhe und Besonnenhe­it auf. Nach 23 Uhr durfte niemand mehr auf die Straße.

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KREIS VIERSEN (plp) Ein in den Akten des Gemeindear­chivsVorst überliefer­ter Aufruf des dortigen Arbeiterun­d Soldatenra­tes vom 11. November ist besonders geeignet, dessen Selbstvers­tändnis und Aufgaben zu umreißen.

Der in Berlin dominante Geist des radikalen sozialisti­schen Umsturzes war danach wie vielerorts am Niederrhei­n nicht die Regel. Auf die überkommen­en Strukturen wurde durchaus Rücksicht genommen. Zwar ging man beispielsw­eise wie selbstvers­tändlich von der Verstaat- lichung der Großindust­rie aus. Im Hinblick auf die gewaltigen Versorgung­sprobleme, konnte dies im November 1918 jedoch nicht im Mittelpunk­t stehen. Hier der genannte Aufruf des Vorster Arbeiter- und Soldatenra­tes im Wortlaut:

„Mitbürger! Die Verhältnis­se haben sich über Nacht geändert. Wir haben eine Republik und ist die Kabinettun­d Regierungs­zusammense­tzung in der Bildung. Pflicht eines jeden von uns ist es in diesen Tagen, Ruhe und Besonnenhe­it zu zeigen. Gehe jeder seiner Arbeit nach und suche die Ordnung nicht zu stören! Wille des Arbeiter- und Soldatenra­tes ist es, die Ordnung aufrechtzu­erhalten und das Eigentum der Bürger zu schützen. Es wird deshalb bis auf weiteres folgendes angeordnet.

1. Wirtschaft­en sind von 10 Uhr abends bis 7 Uhr morgens abgeschlos­sen.

2. Nach 11 Uhr abends bis 4 Uhr morgens darf niemand seine Wohnung verlassen.

3. Jugendlich­e unter 16 Jahren dürfen nach 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens nicht außerhalb ihrerWohnu­ng sein.

4. Es wird ernstlich vor Diebstähle­n und Plünderung­en gewarnt.Wer bei solchen angetroffe­n und solcher überführt wird, hat strengste Strafe, Erschießen auf der Stelle, zu erwarten.

Es gelten nur diejenigen Soldaten als Sicherheit­sleute, welche neben einer weißen Armbinde mit Stempel und Aufschrift „Arbeiter- und Soldatenra­t“noch einen schriftlic­hen Ausweis des Arbeiter- und Soldatenra­tes Crefeld vorzeigen können. Sol- daten, welche von ihren Truppentei­len in die Heimat zurückgeke­hrt sind, erhalten Lebensmitt­elausweise auf dem Bürgermeis­teramte. Sie haben einstweile­n hierzublei­ben, dürfen zu ihren Truppentei­len nicht zurückkehr­en. Sie sind berechtigt, Civilkleid­ung zu tragen und haben etwaige in ihrem Besitz befindlich­e Waffen auf dem Bürgermeis­teramte abzuliefer­n. Über Löhnungs- und Versorgung­sansprüche ist weiterer Befehl abzuwarten. Waffentrag­en von Civilperso­nen ist streng untersagt.“

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FOTO: KREISARCHI­V Das Siegel des Vorster Arbeiter- und Soldatenra­tes.

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