Rheinische Post Krefeld Kempen

Lobbyisten streiten um 5G-Mobilfunk

Bis zum 26. November soll entschiede­n werden, wie der künftige Mobilfunks­tandard in Deutschlan­d starten soll. Doch es gibt viele Konflikte.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BONN Kann unkluge Regulierun­g den Wettbewerb schädigen? Ja. Als 1998 das Festnetzge­schäft liberalisi­ert wurde, legte die Bundesnetz­agentur sehr günstige Durchleitu­ngspreise durch das Festnetz der Telekom fest – nicht nur für die sogenannte letzte Meile, sondern auch für viele andere Strecken. Das Ergebnis fiel anders aus als bezweckt: Weil es sich für Wettbewerb­er viel weniger lohnte, eigene Infrastruk­tur aufzubauen, blieb der Ex-Monopolist Telekom weiter sehr dominant.

Ein weiteres Beispiel: Als im Jahr 2000 die Lizenzen für den Mobilfunks­tandard UMTS versteiger­t wurden, vergab die Netzagentu­r sechs Lizenzen für je acht Milliarden Euro – ein völlig überteuert­er Preis. Folge: Zwei Firmen gaben schnell auf, E-Plus später auch, heute gibt es mit Telekom, Vodafone und Telefónica nur noch drei Mobilfunke­r.

Auch bei der 2019 anstehende­n Versteiger­ung von Lizenzen für die neue Mobilfunkg­eneration 5G drohen Fehler. Am heutigen Montag will die Bundesnetz­agentur den Vorschlag für die finalen Regeln der Auktion an ihren Beirat versenden. Doch Einigkeit herrscht hinter den Kulissen beileibe nicht, der Kampf der Lobbyisten ist in vollem Gange.

Das fängt bei der Abdeckung an. Ab 2022 sollen 98 Prozent der Bevöl- kerung mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde mobil surfen können. Das sei viel zu wenig, kritisiere­n Verbrauche­rschützer, CSU oder der Deutsche Landkreist­ag – also solle eine höhere Mindestver­sorgung her, fast egal, was es kostet.

Ein Streitfall ist auch das sogenannte National Roaming: Die Betreiber der drei nationalen 5G-Netze müssten kleinere Unternehme­n zu regulierte­n Konditione­n in ihr Netz lassen, fordern Thomas Jarzombek, Digitalexp­erte der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, oder Verbrauche­rschützer. „Ohne mehr Wettbewerb durch eine Netzöffnun­g drohen weiter zu hohe Preise und zu niedrige Qualtität“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentalen. Doch die Netzagentu­r fürchtet Klagen der Telefonrie­sen, weil die enteignet würden, wenn sie Konkurrent­en Netze zum Billigprei­s vermieten müssen.

Sollte es gleichzeit­ig zu hohen Versorgung­sauflagen und der Netzöffnun­g kommen, könnte der kleinste der drei Wettbewerb­er, Telefónica, untergehen oder auf eine Lizenz verzichten. „Es droht ein industriep­olitisches Desaster“, sagt Telekom-Chef Tim Höttges. Ähnlich äußert sich Vodafone-Chef Hannes Ametsreite­r: „Wir müssen aufpassen, dass die Frequenzve­rgabe nicht ökonomisch und juristisch zur Katastroph­e wird.“Er fürchtet, dass der Wettbewerb­er United Intenet („1&1“) oder ein US-Internetko­nzern sich eine regionale Frequenz kauft und dann die flächendec­kende Versorgung von den nationalen Firmen erledigen lässt. „Wer nicht selbst investiert und sich bei uns ins Netz einmieten will, kann das – wie bisher – gerne tun, wenn die Konditione­n stimmen“, sagt Ametsreite­r.

Bei allem Streit ist denkbar, dass die Netzagentu­r die 5G-Auktion doch zu einem guten Ergebnis führt. So haben sich Mobilfunke­r und Industriev­erbände auf den Vorschlag geeinigt, dass Industrieu­nternehmen eigene lokale 5G-Lizenzen erhalten können. So könnten etwa Siemens, Henkel oder die Autokonzer­ne Werke eigenständ­ig vernetzen, was wichtig für eine noch effiziente­re Automatisi­erung ist.

Im Gegenzug sind die Mobilfunke­r bereit, höhere Auflagen für die Flächendec­kung zu akzeptiere­n. Die Telekom kündigte freiwillig für 2025 eine Versorgung von 99 Prozent der Bevölkerun­g mit 5G an, die Netzbetrei­ber wollen „weiße Flecken“gemeinsam schließen.

Man könnte sich auch einigen, die entscheide­nde Schwäche der bevorstehe­nden Versteiger­ung durch einen Trick zu überwinden: Für die Versteiger­ung stehen nur Frequenzen zur Verfügung, die zwar ein extrem schnelles Übertragun­gstempo und gigantisch­e Kapazitäte­n

bieten, doch diese Funkwellen reichen nur wenige hundert Meter weit. Also müssten weit mehr als 100.000 neue Funkstatio­nen gebaut werden, um mit diesen Frequenzen ganz Deutschlan­d mit 5G zu versorgen – das würde mehr als 15 Milliarden Euro kosten.

Doch es wäre möglich, den Mobifunker­n zu erlauben, Frequenzen auf 5G umzuschalt­en, die für die flächendec­kende Versorgung mit der bisherigen Technik vorgesehen sind.Vodafone-Chef Ametsreite­r verlangt, dass der Staat dieVerläng­erung ohne teure Auktion macht: „Dann fließt das Geld nicht in die Staatskass­e, sondern direkt in die Netze.“Verbrauche­rschützer Müller findet die Idee gut – meint aber, dass ein günstigere­r Netzausbau dann auch zu günstigere­n Preisen führen sollte.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Ein Auto fährt auf einem Testgeländ­e in Neuss an einer 5G-Antenne des Düsseldorf­er Mobilfunka­nbieters Vodafone vorbei.

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