Rheinische Post Krefeld Kempen

Schwer am Limit

Borussia Dortmund zaubert, und der FC Bayern München ist überrascht, wie viel Gegenwehr er doch noch leisten kann.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Die kleine Volksabsti­mmung auf den Rängen fiel eindeutig aus.„Deutscher Meister wird nur der BVB“, brüllte der Teil des Publikums, der es mit Borussia Dortmund hielt, ganz ohne dazu gebeten worden zu sein. So weit ist es noch nicht, aber der 3:2-Erfolg im Spitzenspi­el gegen Bayern München beschreibt zumindest augenblick­lich die Kräfteverh­ältnisse zwischen den beiden führenden Klubs im Lande. Mit sieben PunktenVor­sprung auf die Bayern geht der BVB aus diesem Spiel hervor, und er verdiente sich den Erfolg, weil er am Ende gegen den großen Konkurrent­en seine Qualitäten so richtig auf den Platz brachte.

„Sieben Punkte, das ist schon viel“, räumte Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge ein. Auf die Frage, ob das nun eine Wachablösu­ng im deutschen Fußball gewesen sei, antwortete er mit einerVerbe­ugung vor der Klasse des Gegners. „Das ist eine gute Mannschaft“, sagte er.

Derartige Verbeugung­en vor dem Kontrahent­en leistete auch der Trai- ner des Siegers. „Die Bayern waren 30 Minuten klasse“, erklärte Lucien Favre, und er machte große Augen der Anerkennun­g, „sie haben gedrückt, Tempo gemacht, ich war froh, dass wir mit 0:1 in die Kabine kamen.“In der Tat gingen die Münchner die Begegnung mit der Entschloss­enheit eines Altmeister­s an, der dem Emporkömml­ing mal zeigen will, wo der Hammer hängt, sie nahmen die Partie wie ein Endspiel. Mit großem Laufaufwan­d, extremem Druck auf die Abwehrspie­ler der Dortmunder und vielen Ballgewinn­en bestimmten die Gäste fast die gesamte erste Halbzeit. Die Führung durch Robert Lewandowsk­i drückte das sehr gut aus. Und die Vorstellun­g des amtierende­n Meisters nötigte nicht nur Favre Respekt ab, dem aber besonders. Der Schweizer würdigte den Auftritt des Meisters mit der Feststellu­ng: „Ich habe schon viele Bayern-Spiele gesehen, aber so stark waren sie noch nie.“Entweder war das der Überschwan­g des Wohlgefühl­s, oder er meinte die aktuelle Saison.

Für diese Spielzeit war die Münchner Leistung der ersten Hälfte stil- bildend.„Ich hoffe, wir können noch weitere solche Spiele zeigen“, sagte Kovac. Ob dem in die Jahre gekommenen Team das mal über 90 Minuten gelingen wird, ist allerdings eine sehr offene Frage. Für Favre war sie bereits in der Pause beantworte­t. „Ich wusste, dass sie nicht weiter mit diesem Tempo spielen können“, erklärte der Dortmunder Trainer.

Dafür entdeckte seine Mann- schaft ihre eigenen Stärken. Sie kam hinter Bayerns Abwehrkett­e, sie brachte ihre Geschwindi­gkeitsvort­eile ins Spiel, und die Münchner Abwehrbemü­hungen wirkten dagegen auf einmal eher behäbig. Den Ausgleich durch den Elfmetertr­effer des überragend­en Kapitäns Marco Reus beantworte­te Bayern noch durch die erneute Führung nach einer zauberhaft­en Kombinatio­n, die wiederum Lewandowsk­i abschloss. Aber gegen die schnellen Angriffe der Dortmunder gab es kein taugliches Mittel mehr. Konter brachten den BVB durch Tore von Reus und Paco Alcacer in Führung, nachdem beide Chancen aus ein paar Metern Torentfern­ung noch vergeben hatten. Im wunderbar wilden Westfalens­tadion hatten die Bayern Übersicht und Ruhe eines Champions verloren. Dass sie vor dem entscheide­nden Gegentor den Ball beinahe an der Grundlinie der gegnerisch­en Hälfte abgaben und in einen völlig unabgesich­erten Konter liefen, spricht nicht eben für Cleverness. Das beklagte Kovac zu Recht. „Es darf uns nicht passieren“, stellte er fest.

Vielleicht ist der geradezu hemmungslo­se Versuch, nach dem 2:2 in der Schlusspha­se noch mal so richtig nach vorn zu stürmen, auch ein Akt der Verzweiflu­ng. Die Bayern-Spieler gaben sich mit dem Unentschie­den nicht zufrieden, weil sie der Begegnung in Dortmund tatsächlic­h entscheide­nde Bedeutung zumaßen. Sie warfen deshalb alles in diese Partie, zu viel jedenfalls, wie die Schlusspha­se zeigte.

Ganz sicher offenbarte das Ensemble alternder Stars, das sich gegen eine Art fußballeri­scher Götterdämm­erung stemmte, seine Probleme mit einem dauerhafte­n Hochgeschw­indigkeits­fußball. Dass sich Nationalve­rteidiger Mats Hummels mit den Folgen einer Erkältung aus krassen Fehlern gegen die BVB-Angreifer herausmoge­ln wollte, war nur ein peinlicher Randaspekt.

Auf der anderen Seite suchte BVBCoach Favre nach liebgewonn­ener Gewohnheit weiter nach dem Haar in der Suppe. „Wir sind zufrieden mit 27 Punkten nach elf Spielen“, erklärte er, „mehr nicht, denn es gibt noch viel zu tun. Wir wissen, dass wir viele Sachen zu korrigiere­n habe, kleine Details, die sehr wichtig sind.“Aber er schaute dann doch ziemlich glücklich. „Ich werde heute ein Glas Rotwein trinken“, versprach er. Das letzte größere Erfolgserl­ebnis feierte er nach eigener Aussage mit einem „Mineralwas­ser, ohne Kohlensäur­e“. Es geht also doch aufwärts auf der internen Euphorie-Skala.

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FOTO: IMAGO Oft einen Schritt zu spät: Mats Hummels (FC Bayern München) beim Versuch eines Zweikampfe­s mit dem Dortmunder Marco Reus.

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