Rheinische Post Krefeld Kempen
Bayer 04 taumelt Richtung Abstiegszone
In Leipzig sollte die Aufholjagd der Werkself beginnen. Es kam anders: Die 0:3-Niederlage offenbart erschreckende Defizite.
LEVERKUSEN Mit großen Ambitionen und gestärkt durch das Überwintern in Pokal sowie Europa League reiste Bayer Leverkusen nach Sachsen. Bei RB Leipzig sollte unbedingt die Wende in der bisher völlig verkorksten Bundesligasaison zumindest eingeleitet werden. Nach 90 ebenso schwachen wie ideenlosen Minuten und einer 0:3 (0:1)-Niederlage gegen den neuen Tabellendritten steht fest: Leverkusen wird mittelfristig nichts mit einem Platz unter den ersten sechs Mannschaften zu tun haben. Stattdessen muss sich Bayer nach unten orientieren. Der Relegationsplatz ist nur noch zwei Punkte entfernt.
Entsprechend frustriert reagierte Kevin Volland auf den neuerlichen Rückschlag, der belegt, dass die Kantersiege in Bremen und Mönchengladbach nicht viel mehr als ein Strohfeuer waren.„Es hatte heute keine Struktur bei uns“, monierte der Angreifer bei Sky. „Jeder hat für sich gespielt. Das war unter dem Strich gar nichts.“
Dabei war Leipzig vor allem in der ersten Halbzeit nicht so dominant, wie es das Ergebnis vermuten lässt. Einen sehenswerten Pass von Diego Demme verwertete Yussuf Poulsen mit einem Lupfer über Lukas Hradecky hinweg kongenial zum 1:0 (27.). Leverkusen hatte im Anschluss durch Kai Havertz die Chance zum Ausgleich, doch der wuchtige Außenristschuss des 19-Jährigen ging knapp über das Tor (36.). Auch nach der Halbzeit fand Leverkusen trotz einiger offensiver Wechsel nicht in die Partie, stattdessen machten Lukas Klostermann (65.) und erneut Poulsen (85.) mit ihren Toren alles klar. Der brutalen Effizienz der Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick hatte die Werkself nichts entgegenzusetzen. ZurWahrheit gehört aber auch, dass Leipzig eine ordentliche Leistung genügte, um die Gäste vor unlösbare Aufgaben zu stellen.
„Wir hatten irgendwie vorne zu wenig Personal“, konstatierte Vol- land, der allerdings in Julian Brandt, Leon Bailey, Lucas Alario oder Havertz einige nominell angriffslustige Mitspieler hatte. Dann sagte der 26-JährigeWorte, die aufhorchen lassen. „Ich glaube, dass heute keiner von uns das Gefühl hatte, dass er Hilfe vom Nebenmann bekommt, wenn er am Ball ist. Das war zu wenig Bewegung, zu wenig Giftigkeit in den Zweikämpfen, zu wenig Miteinander, zu wenig Mentalität.“Sein eher hilflos wirkendes Rezept für die verfahrene Lage: „Wir müssen weiter daran arbeiten und weiter Gas geben.“Der Blick bei Bayer 04 sollte sich an-
gesichts der Tabellensituation nun „definitiv“nach unten richten, betonte Volland. „Von unseren Zielen in der Bundesliga sind wir meilenweit entfernt.“
Die zu erfüllen, ist die Aufgabe von Trainer Heiko Herrlich, der sich bisher auf das schützende Verbalbollwerk von RudiVöller verlassen konnte. Der Sportgeschäftsführer würgte ein ums andere Mal jedwede aufkeimende Trainerdiskussion ab, doch nun dürften auch ihm die Argumente für eine weitgehend kritiklose Weiterbeschäftigung des 46-Jährigen ausgehen – auch, wenn in Pokal und EL die Ziele erreicht wurden.
Elf Spiele sind in der Liga absolviert, sechs Niederlagen und nur drei Siege stehen in der Bilanz. Von Abstiegskampf will Volland aber trotz aller gebotenen Kritik vorerst nichts wissen. „Es ist in beide Richtungen enorm eng und es sind noch genug Spiele“, betonte der Angreifer. „Wir müssen schauen, dass wir bis Weihnachten ein kleines Punktepolster aufbauen.“
Das klingt angesichts der jüngsten Leistungen in der Liga – in der Vorwoche ging das Heimspiel gegen Hoffenheim 1:4 verloren – indes eher nach einem frommen Wunsch als nach einer Kampfansage.