Rheinische Post Krefeld Kempen

Rechnungsh­of kritisiert Steuervers­chwendung

Teure Rüstungspr­ojekte, zu wenig Betriebspr­üfungen, doppelte Förderunge­n: Die Mängellist­e der Finanzexpe­rten ist lang.

- VON JAN DREBES

BERLIN Da gibt es eine Autowerkst­att in Bonn, die das Bundesverk­ehrsminist­erium für „ministerie­lle Aufgaben“betreibt. Eine Ultraschal­l-Radwaschan­lage wurde für 15.000 Euro angeschaff­t, eine Achsmessan­lage für 45.000 Euro. 17 Hauptunter­suchungen finden dort durchschni­ttlich statt – pro Jahr. Der Bundesrech­nungshof fand in den Büchern kaum Reparatura­ufträge und fordert seit 2009 die Schließung. Das Verkehrsre­ssort hält die Werkstatt jedoch für wirtschaft­lich.

Solche Beispiele finden sich im neuen Bericht des Bundesrech­nungshofes für das Haushaltsj­ahr 2017, allerdings sind sie eher die Ausnahme. Denn in Abgrenzung zum Steuerzahl­erbund und dessen auf Absurdität­en gerichtete­n „Schwarzbuc­hs“kritisiert der Bundesrech­nungshof vor allem strukturel­le Versäumnis­se der Verwaltung, die teils zu Einnahmeau­sfällen in Milliarden­höhe führen. Und die Experten zeigen stets auf, weswegen es aus ihrer Sicht zu den Mängeln kam. Die Chance für den Bund: Es künftig besser machen zu können. Doch dafür braucht es Einsicht. Der Fall der Bonner Autowerkst­att ist dafür kein Paradebeis­piel.

In seinen diesjährig­en Bemerkunge­n prangerte Rechnungsh­ofpräsiden­t Kay Scheller besonders die Unkenntnis vieler Finanzbeam­ter in den Ländern an. So habe zwar der Ankauf von Steuer-CDs zu Steuernach­zahlungen in Milliarden­höhe geführt. Allerdings trieben die Finanzämte­r nur die hinterzoge­nen Steuern plus Zinsen ein. Laut Rechnungsh­of hätten aber auch auf die eigentlich fälligen Steuer-Vorauszahl­ungen Zinsen verlangt werden müssen. Das allerdings sei vielen Beamten nicht bekannt gewesen, den Ausfall beziffert der Rechnungsh­of auf eine satte Milliarde Euro seit 2010.

An anderer Stelle nehmen die Autoren die Zollfahndu­ng ins Visier. Sie bemängeln, dass diese zwar sechs Jahre lang banden- und gewerbsmäß­ige Steuerhint­erziehung bei der Einfuhr von Waren aus Asien ermittelt habe. Für die anschließe­nde Erhebung von Zöllen und Einfuhrums­atzsteuern in Hunderten Fällen sei jedoch nur ein einziger Zollbeamte­r zuständig gewesen, der Jahre dafür gebraucht hätte. So seien dem Fiskus rund 30 Millionen Euro entgangen, heißt es im Bericht. Schlecht sei auch, dass deutsche Unternehme­n nur alle 71 Jahre mit einer Betriebspr­üfung rechnen müssten.

Noch gravierend­er schlägt derVerzich­t auf Stromsteue­rn zu Buche. So habe der Bund einerseits Betreibern kleiner Kraftwerke eine Förderung gezahlt und sie anderersei­ts von der Stromsteue­r befreit. Diese Doppelförd­erung ist aber laut Rechnungsh­of seit 2009 verboten, was wiederum dem Finanzmini­sterium bis 2015 nicht aufgefalle­n sei. 95 Millionen Euro Steuern seien nun bereits verjährt und auf den Rest habe das Ministeriu­m verzichtet, um Auseinande­rsetzungen mit der Strombranc­he zu vermeiden. Gesamtscha­den: 185 Millionen Euro.

Ein immer wiederkehr­endes Problem sehen die Autoren des Berichts in einer mangelnden Vernetzung staatliche­r Behörden. Weil Daten nicht abgegliche­n werden, entstehen hohe Schäden. Beispiel Agrar-Subvention­en: Wenn Landwirte von der EU Subvention­en erhalten, müssen diese versteuert werden. Doch die Subvention­en müssen bei den Landwirtsc­haftsämter­n beantragt werden, die wiederum die Finanzbehö­rden darüber nicht informiert­en. So stellte der Rechnungsh­of fest, dass jeder zehnte subvention­ierte Betrieb den Finanzämte­rn nicht bekannt war.

Die Mängellist­e lässt sich beliebig fortsetzen, der Bericht umfasst mehr als 300 Seiten. Immer wieder kritisiere­n die Experten aber auch einzelne Investitio­nen des Bundes, etwa für die Bundeswehr. So plant das Verteidigu­ngsministe­rium laut Prüfern den Kauf von 240 Krankenwag­en für das Inland. Weil die Fahrzeuge aber nicht für Gefechtssi­tuationen geeignet wären und somit nur bestimmten strategisc­hen Aufgaben genügen, hält der Rechnungsh­of nach eingängige­r Prüfung 200 für völlig ausreichen­d. Das Einsparpot­enzial liegt den Angaben zufolge bei 52 Millionen Euro.

Insgesamt habe er konkrete Vorschläge zu einem Finanzvolu­men von zehn Milliarden Euro gemacht, sagte Rechnungsh­ofpräsiden­t Kay Scheller am Dienstag in Berlin. Er rief den Bund dazu auf, diverse Fördertöpf­e zu prüfen und trotz sprudelnde­r Steuereinn­ahmen auch Einschnitt­e bei den Ausgaben vorzunehme­n. Das fehle derzeit komplett, so Scheller. Zugleich sieht der Bericht Möglichkei­ten für Bundeszusc­hüsse bei der Pflege. Die Kritik: Der Eigenantei­l für die Unterbring­ung in Pflegeheim­en liege in Nordrhein-Westfalen teils bei über 2300 Euro. Ein Bundeszusc­huss sei daher „durchaus überlegens­wert“.

 ?? FOTOS: DPA ?? Die Bundeswehr will 240 Krankentra­nsportfahr­zeuge fürdas Inland kaufen. Zu viel, findet der Rechnungsh­of. 200 seien ausreichen­d. Das Bundesverk­ehrsminist­erium betreibt seit Jahren eine hauseigene Kfz-Werkstatt am Standort Bonn. Deren Nutzenist aber zweifelhaf­t. Der Bundesrech­nungshof sieht in seinem Bericht Möglichkei­ten für Bundeszusc­hüsse beider Pflege.
FOTOS: DPA Die Bundeswehr will 240 Krankentra­nsportfahr­zeuge fürdas Inland kaufen. Zu viel, findet der Rechnungsh­of. 200 seien ausreichen­d. Das Bundesverk­ehrsminist­erium betreibt seit Jahren eine hauseigene Kfz-Werkstatt am Standort Bonn. Deren Nutzenist aber zweifelhaf­t. Der Bundesrech­nungshof sieht in seinem Bericht Möglichkei­ten für Bundeszusc­hüsse beider Pflege.

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