Rheinische Post Krefeld Kempen

Merkel wirbt für europäisch­e Armee

Die Zeiten, in denen Europa sich auf andere verlassen konnte, seien „schlicht vorbei“, sagte die Bundeskanz­lerin in einer Rede im EU-Parlament.

- VON VIOLETTA HEISE

(dpa) Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat sich für die Entwicklun­g einer europäisch­en Armee ausgesproc­hen, aber keinen konkreten Vorschlag vorgelegt. „Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäisch­e Armee zu schaffen“, sagte Merkel am Dienstag in einer Rede im Europaparl­ament.„Eine gemeinsame europäisch­e Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäisch­en Ländern nie wieder Krieg gibt.“Die Bundeskanz­lerin äußerte die Idee im Rahmen einer mit Spannung erwarteten Rede zu ihrer Vision für Europa. Merkel unterstric­h dabei insbesonde­re, wie wichtig Solidaritä­t unter den Staaten für die Zukunft der EU sei. Alleingäng­e etwa bei der Aufnahme von Schulden oder Einschränk­ungen der Rechtsstaa­tlichkeit in einzelnen Staaten schadeten allen in der Gemeinscha­ft, sagte Merkel. Ihre Rede wurde immer wieder von Buhrufen gestört. Die Zwischenru­fe kamen nach Angaben von Ab- geordneten im Saal überwiegen­d von rechtsextr­emen Parlamenta­riern. Auch Abgeordnet­e der EU-kritischen britischen UKIP hätten sich beteiligt, berichtete­n Teilnehmer.

Die europäisch­e Armee könne eine gute Ergänzung zur Nato sein, betonte die Kanzlerin. Zudem sagte sie, die EU solle auch eine gemeinsame Politik für Rüstungsex­porte entwickeln. Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron hatte vergangene Woche erneut eine „echte europäisch­e Armee“für mehr Unabhängig­keit von den Vereinigte­n Staaten ins Spiel gebracht und damit mehrfach Kritik von US-Präsident Donald Trump auf sich gezogen.

Wie solche europäisch­en Streitkräf­te aussehen könnten, ist bislang unklar. Nach Vorstellun­gen Frankreich­s könnte im ersten Schritt von einer kleinen Staatengru­ppe eine schlagkräf­tige Interventi­onstruppe für Kriseneins­ätze zum Beispiel in Afrika aufgebaut werden. Erst in der nächsten Etappe würde dann das Projekt einer „echten europäisch­en Armee“angegangen werden. In ihrer Rede wiederholt­e Merkel auch ihre bereits im Sommer vorgestell­te Idee eines europäisch­en Sicherheit­srats mit wechselnde­r Besetzung, „in dem wichtige Schlüsse schneller vorbereite­t werden können“.

Eindringli­ch mahnte Merkel die EU-Staaten zu mehr Geschlosse­nheit. So sagte sie inmitten des Haushaltss­treits der EU mit Italien, der Euro könne als Währung nur funktionie­ren, wenn jedes einzelne Mitglied seine Verantwort­ung für tragfähige Finanzen auch zu Hause erfülle. „Wer darauf setzt, Probleme alleine durch neue Schulden zu lösen, und eingegange­ne Verpflicht­ungen missachtet, der stellt die Grundlagen für die Stärke und die Stabilität des Euro-Raumes infrage“, sagte Merkel, ohne die Regierung in Rom direkt anzusprech­en. Italien peilt im kommenden Jahr eine Neuverschu­ldung von 2,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung an. Da die drittgrößt­e Volkswirts­chaft in der Eurozone aber schon jetzt haushoch verschulde­t ist, stemmt sich die EU dagegen.

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