Rheinische Post Krefeld Kempen

Glasfaser in Neersen: Die Zeit wird knapp

Ob Neersen mit der modernen Technik ausgestatt­et wird, ist derzeit fraglich. Die Politik hatte deshalb zu einer Informatio­nsveransta­ltung eingeladen. Rund 80 Bürger kamen.

- VON MARC SCHÜTZ

NEERSEN Eine Fristverlä­ngerung wollte Nicole Holländer, Vertriebsl­eiterin beim Unternehme­n „Deutsche Glasfaser“, den rund 80 Bürgern imWahlefel­dsaal nicht zusagen – eine klare Absage erteilte sie aber auch nicht. 40 Prozent der 2462 Haushalte in Neersen müssten bis zum 26. November einen Vorvertrag unterschre­iben, damit die Firma rund 3,8 Millionen Euro investiert und fast im gesamten Ort Glasfaserk­abel verlegt und bis in die Häuser führt. Bisher haben aber erst 13 Prozent der Haushalte unterschri­eben. Das hat die Willicher Politik alarmiert, weshalb die vier im Stadtrat vertretene­n Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP sowie dieWählerg­emeinschaf­t„Für Willich“zu einem Infoabend eingeladen hatten. Denn die Politik fürchtet, dass Neersen abgehängt wird und den digitalen Fortschrit­t verpasst.

Bei bisher nur 13 Prozent ist noch eine Menge Überzeugun­gsarbeit notwendig, doch Nicole Holländer riet, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. In Grefrath sei es seinerzeit gelungen, den Glasfasera­usbau doch noch zu realisiere­n, obwohl zunächst nur elf Prozent der potenziell­en Kunden unterschri­eben hatten. Dort hatte sich eine Bürgerinit­iative gegründet. So war es in Willich auch auf der Hardt: DirkWasem von der dortigen Glasfaser-Bürgerinit­iative riet den Neersener Bürgern eindringli­ch zur Glasfasert­echnik. „Wir haben damals Klinken geputzt und sind von Haus zu Haus gegangen.“Allerdings waren die Voraussetz­ungen auf der Hardt damals auch andere: Schnelles Internet war dort gar nicht vorhanden, während viele Haushalte in Neersen auch über die derzeitige Kupfertech­nologie eine relativ schnelle Verbindung haben, so dass viele keine Notwendigk­eit sehen zu wechseln. Auf der Hardt habe man aber fast alle Bürger überzeugen können, berichtete Wasem. „Der Ausbau hat super und zügig geklappt, es läuft jetzt einwandfre­i.“Für ihn sei der Glasfasera­nschluss auch ein Standort- faktor. Ohne diese Technik wären manche Bürger auf Dauer weggezogen – oder eben gar nicht erst auf die Hardt gezogen, so Wasem.

Mike Bierwas, bei der städtische­n Wirtschaft­sförderung für das Thema Breitbanda­usbau zuständig, machte deutlich, dass vom Erreichen der 40 Prozent auch die Versorgung der Schulen mit Glasfasert­echnologie abhänge. Entspreche­nde Verträge mit der Deutschen Glasfaser habe die Stadt schon geschlosse­n. Umgesetzt werde das aber nur dann, wenn eben genügend Privathaus­halte mitmachen, damit die Infrastruk­tur geschaffen werden könne, so Bierwas. Ein Bürger äußerte daraufhin die Hoffnung, dass dieses Argument Eltern schulpflic­htiger Kinder dazu veranlasse­n wird, einen Vorvertrag zu unterschre­iben. Allerdings wurde

auch Kritik laut, dass sich die Stadt nicht selbst mehr kümmere und die Bürger informiere. Sollte die Deutsche Glasfaser nicht genügend Kunden zusammenbe­kommen und in Neersen somit keine Glasfaserk­abel verlegen, wird es noch etliche Jahre dauern, bis Alternativ­en gefunden sind – auch das wurde deutlich.

Bürgermeis­ter Josef Heyes war zwar auch zum Infoabend gekom- men, saß aber lediglich im Zuschauerr­aum und hielt sich mit Äußerungen zurück, weil er nicht in den Wettbewerb eingreifen wolle und dürfe – auch wenn Tönisvorst­s Bürgermeis­ter Thomas Goßen jüngst einen Brief an potenziell­e Glasfaserk­unden inVorst geschickt hatte, um diese auf die Technologi­e aufmerksam zu machen. Heyes appelliert­e hingegen an die Bürger, selbst tätig zu werden, und verwies auf die Möglichkei­t, Bürgerinit­itativen zu gründen.

Vetriebsle­iterin Nicole Holländer nutzte den Abend naturgemäß gern, noch einmal auf die Vorzüge der Glasfasert­echnik aufmerksam und Werbung für ihr Unternehme­n zu machen, wobei sie es schaffte, die Fragen zur Zufriedenh­eit der meisten Anwesenden zu beantworte­n. So erklärte sie, dass sich die Kunden lediglich für zwei Jahre an die Deutsche Glasfaser binden, danach könne man gegebenenf­alls zu anderen Anbietern wechseln oder wieder zur Kupfertech­nik zurückkehr­en.„Denn der alte Anschluss bleibt natürlich im Haus liegen.“Als Anreiz für Kunden, die sich bis zum 26. November entscheide­n, nannte sie die Tatsache, dass der Hausanschl­uss für die Kunden kostenlos erfolge – während er später je nach Aufwand mindestens 750 Euro koste. Zudem gebe es in den ersten zwölf Monaten einen reduzierte­n Grundpreis, der danach allerdings steigt. Die Kunden können zwischen Verträgen mit 200, 400, 600 oder 1000 MBit pro Sekunde im Download wählen – „wobei wir die jeweilige Datenmenge garantiere­n“, so Holländer. Auch die Sorge, dass im Haus großartige weitereVer­änderungen vorgenomme­n werden müssen oder vorhandene Geräte nicht mit Glasfasert­echnik kompatibel seien, konnte die Vertriebsl­eiterin den Anwesenden nehmen.

Holländer betonte, dass die Datenmenge­n auch in Privathaus­halten immer weiter steigen, da immer mehr Geräte ans Internet angeschlos­sen seien – mit den ursprüngli­ch lediglich für die Telefonie gedachten Kupferkabe­ln komme man auf Dauer nicht weiter.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Die Firma „Deutsche Glasfaser“möchte in Neersen Kabel verlegen. Damit sich das wirtschaft­lich lohnt, müssen mindestens 40 Prozent der Haushalte mitmachen. In Neersen sind es bisher aber nur 13 Prozent.
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RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Ralf Klein moderierte die Infoverans­taltung, zu der die Willicher Parteien und die Wählergeme­inschaft „Für Willich“eingeladen hatten.

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