Rheinische Post Krefeld Kempen
Von der Faszination der Zahlen
Frauen in der Mathematik sind an Hochschulen die Ausnahme. Die Universität Münster hat nun Juniorprofessuren eingerichtet.
MÜNSTER Als Franziska Jahnke im Jahr 2004 mit dem Mathematik-Studium begann, gab es in diesem Fach keine Professorin an ihrer Uni in Freiburg. Dieses Bild hat sich an den Universitäten bis heute nicht großartig gewandelt: Denn während viele junge Frauen durchaus das Fach Mathematik studieren, um Lehrerinnen zu werden,
„Ich habe Zahlen, Knobeln und Rätsel schon
als Kind gemocht“
Franziska Jahnke liegt der Anteil der Studentinnen im 1-Fach-Bachelor nur bei rund 20 Prozent. Die Universität Münster hat darauf mit einem Frauenförderplan reagiert. Teil dieses Plans sind die Mathrix-Juniorprofessuren, die seit 2017 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in den mathematischenWissenschaften etabliert wurden. Eine dieser Professuren hat Franziska Jahnke inne.
Frau Jahnke, wie sind aus Ihrer Sicht Frauen in der Mathematik repräsentiert?
JAHNKE Das ist je nach Level unterschiedlich. Unter den Studierenden ist der Frauenanteil noch recht hoch, aber nach jeder Qualifikationsstufe gibt es merklich weniger Frauen. Als ich mit meinem Studium in Freiburg begonnen habe, gab es dort keine Professorin. Als dann Annette Huber-Klawitter berufen wurde, habe ich gemerkt, dass dies für mich persönlich einen großen Unterschied gemacht hat und dass mir — zu meiner eigenen Überraschung — zuvor wirklich weibliche Vorbilder gefehlt haben. Auch während meiner Promotionszeit in Oxford war ich immer die einzige Frau in einer großen Logikgruppe. Ich habe meine Promotion sehr genossen, auch wenn ich sicher bin, dass in einer gemischteren Gruppe die Dynamik eine ganz andere gewesen wäre. In meinem Forschungsgebiet gibt es einige herausragende Frauen, zum
Mathematik-Professorin
Beispiel Katrin Tent, die mich oft mit Rat und Tat unterstützt. Insgesamt sind aber bei den Konferenzen, zu denen ich fahre, selten mehr als 20 Prozent der Teilnehmer weiblich.
Wie haben Sie die Mathematik für Sich entdeckt?
JAHNKE Mein Vater ist (mittlerweile emeritierter) Professor für Mathematikdidaktik, und von ihm habe ich die Begeisterung vorgelebt bekommen und geerbt. Für mich ist die Mathematik eine eigene, faszinierende Welt, in der ich alles andere vergesse. Ich habe Zahlen, Knobeln und Rätsel schon als Kind gern gemocht. Im Studium kam ich mit der abstrakten Welt der reinen Mathematik in Berührung, die mich nicht mehr loslässt. Vor allem die Algebra, das Studium der Lösbarkeit von Gleichungen in verschiedenen Zahlsystemen, und die mathematische Logik, eine Grundlagendisziplin der Mathematik, haben es mir angetan.
Wie muss man sich mathematische Forschung denn vorstellen?
JAHNKE Mathematische Forschung bedeutet für mich, gedankenversunken stundenlang ins Leere zu starren oder immer wieder neu auf ein Blatt Papier zu kritzeln. Natürlich lese ich auch Fachartikel, diskutiere mit meinen Ko-Autoren oder bringe meine Überlegungen zu Papier — aber das Kernstück meiner Arbeit sind doch die Stunden des Sinnierens. Das ist häufig sehr frustrierend, immer wieder drehen sich meine Gedanken im Kreis. Umso wertvoller ist dann der Moment, in dem eine Einsicht zu reifen beginnt. Banges Hoffen, ob sie den nun notwendigerweise folgenden Prüfungen standhält. Diese Augenblicke der Erkenntnis machen alle frucht- los anmutenden Stunden zuvor wett und gleichzeitig Lust auf mehr.
Wie verlief Ihr Karriereweg?
JAHNKE Nach dem Diplom habe ich mit einem Stipendium eines EU-Netzwerks an der Universität Oxford in Modelltheorie, einem Teilbereich der mathematischen Logik, promoviert. Das Stipendium ermöglichte es mir, zu vielen Konferenzen zu fahren und dabei Modelltheoretiker aus der ganzen Welt kennenzulernen. Doch das Reisen kann das stille Kämmerlein nur ergänzen. Nach der Promotion bin ich an die WWU Münster gekommen, wo ich erst als Assistentin und nun als Juniorprofessorin lerne und lehre. Seit knapp zwei Jahren bin ich auch Mutter einer Tochter. Seitdem weiß ich: Auch auf einer Spielplatzbank lässt sich durchaus Mathematik betreiben.
Wie ermutigen Sie junge Frauen zu einem Weg in der mathematischen Forschung?
JAHNKE Ich spreche natürlich Studierende an, wenn ich den Eindruck habe, dass sie für eine Promotion geeignet sind. Das mache ich aber unabhängig vom Geschlecht. Ich hoffe gleichzeitig, dass auch ich den Studierenden vorleben kann, dass sich mathematische Forschung und Liebe zur Mathematik einerseits und ein Familienleben andererseits nicht widersprechen. Aus meiner Sicht kann man mit gezielter finanzieller Förderung hervorragende Doktorandinnen gewinnen, sowie flexible Bleibeangebote für exzellente Wissenschaftlerinnen schaffen. Die Mathrix-Professuren in Münster sind eine sehr gute Maßnahme, da sie durch ihre breite Ausschreibung für eine große Anzahl an hochqualifizierten Bewerberinnen sorgen.