Rheinische Post Krefeld Kempen

Liebfrauen-Gymnasium ist jetzt Europaschu­le

Vertreter aus Mülhausen nahmen das Zertifikat in der Düsseldorf­er Staatskanz­lei entgegen.

- VON HEINER DECKERS

MÜLHAUSEN Elf Schulen in Nordrhein-Westfalen haben jetzt das Zertifikat Europaschu­le erhalten – unter anderem die Liebfrauen­schule in Mülhausen, die mit vier Lehrerinne­n und zwei Oberstufen­schülern beim Festakt in der Düsseldorf­er Staatskanz­lei vertreten war. Mit 215 Europaschu­len hat Nordhein-Westfalen so viele wie kein anderes Bundesland. Europamini­ster Stephan Holthoff-Pförtner sagte bei der Preisverle­ihung: „Dass sich so viele Schulen in unserem Land nachdrückl­ich zu Europa bekennen, macht mich stolz. In Zeiten sich ausbreiten­der Europaskep­sis ist es besonders wichtig, die heranwachs­ende Generation für Europa zu begeistern.“Schulminis­terin Yvonne Gebauer betonte, dass Europaschu­len durch ein besonderes Angebot, etwa im Bereich Sprachen, und ihr großes Engagement das Bewusstsei­n der Schüler für die Werte der Europäisch­en Union fördern. Durch Austauschp­rogramme mit europäisch­en Partnern und oft auch die Vermittlun­g von Praktika im Ausland fördern sie die interkultu­relle Kompetenz ihrer Schüler.

Die Verleihung kommt nicht von ungefähr, viele Schüler aus Mülhausen haben sich mit dem Thema Europa beschäftig­t. Sieben Jugendlich­e etwa haben in Maastricht am Wettbewerb „European Model United Nations“teilgenomm­en. Begleitet von ihren Lehrerinne­n Alexandra Lochthowe und Maike Schwich stellten sie sich vier Tage lang im Kongressze­ntrum der niederländ­ischen Stadt einer spannenden Herausford­erung. In einer Art „Nachwuchsp­arlament“brachten die 17- und 18-Jährigen im „Council of Europe“eine Resolution zu den Themen Rechtsstaa­tlichkeit und Internatio­nalisierun­g von Hochschulp­olitik auf den Weg. In Rollenspie­len mussten die Gymnasiast­en für ihre Positionen streiten und am Ende einen Kompromiss erarbeiten.

Jeder Teilnehmer bekommt ein Land zugewiesen, das er zu vertreten hat. Moritz Delschen (17) bekam Italien: „Als Erstes habe ich mich schlau gemacht, wie dieses Land überhaupt funktionie­rt und wo die Probleme liegen.“Als er sein Thesenpapi­er auf Englisch verteidige­n musste, hatte er zunächst Lampenfieb­er: „Das legt sich aber schnell. Ich habe meine Argumente vorgebrach­t und meine Position dargelegt.“

Andere Schüler aus Mülhausen mussten sich unter anderem mit Rumänien, der Schweiz und Finnland befassen. Problem für die Liebfrauen­schüler war, dass die anderen Teilnehmer teilweise deutlich älter waren, da war beispielsw­eise ein chinesisch­er Jurastuden­t aus dem vierten Semester. „Unsere Schüler haben gelernt, wie wichtig es ist, Verständni­s für die Gegebenhei­ten der europäisch­en Nachbarn zu entwickeln und dass das Haus Europa auf stabilen politische­n Grundfeste­n stehen muss“, sagt Schulleite­r Lothar Josten.

Die Schüler haben nach eigener Aussage ebenfalls ein wichtiges Lernziel erreicht: „Wir haben ge-

lernt, wie schwierig es ist, eine gemeinsame politische Linie zu finden und dass am Ende immer ein Kompromiss herauskomm­en muss“, sagt Niklas Erkes (18). Lehrerin Alexandra Lochthowe: „Die Schüler haben gemerkt, wie vielschich­tig und doch homogen das europäisch­e Gebilde funktionie­rt und wie um Entscheidu­ngen im parlamenta­rischen Rund gerungen wird.“Auch im Jahr 2019 werde sich, so Maike Schwich, die Liebfrauen­schule wieder an diesem Projekt beteiligen.

Auch andere Liebfrauen­schüler haben praktische­n Erfahrunge­n mit Europa gemacht. Zwölftkläs­sler haben nämlich in London ein Praktikum gemacht und dabei einen Charity-Workshop absolviert. Jette Straetmann­s hat im Gebrauchtw­arenladen der Kette Oxfam gearbeitet, Doreen Davydenko in einer Einrichtun­g für blinde und notleidend­e Menschen. Hanns-Sophie Istel, Thomas Berenyi und Luca Sando Wolf gingen vergleichb­aren Tätigkeite­n nach.

Da war nichts auf Hochglanz poliert: In den Läden trafen die Heranwachs­enden auf Menschen, denen das Geld für ein paar neue Schuhe fehlt und denen das britische Gesundheit­ssystem keine neue Brille auf Krankensch­ein gewährt. In den Geschäften mussten die Praktikant­innen aus Deutschlan­d alles tun, was auch die normalen Angestellt­en taten: Second-Hand-Artikel annehmen, begutachte­n, einräumen, dekorieren, aber auch verkaufen und beraten. Die deutschen Gäste lebten bei Gasteltern in Catford, was vom Wohlstand her Lichtjahre von den vornehmen Vierteln wie Westend oder Belgravia entfernt liegt.

„Das Sozialprak­tikum hat nichts mit der touristisc­hen Seite von London zu tun, sondern zeigte die andere Seite“, betont Lehrerin Maike Schwich. Schulleite­r Lothar Josten ist es vor dem europäisch­en Hintergrun­d ein Anliegen, dass auch 2019 und danach Schüler der Liebfrauen­schule soziale Praktika absolviere­n. Jette Straetmann­s:„Ich kann das nur jedem empfehlen.“

Redaktion Kempen

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FOTOS (2): AXEL KÜPPERS Gemeinsam mit Schülern und Lehrern nahm Schulleite­r Lothar Josten die Zertifizie­rung zur Europaschu­le entgegen.
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Einige Schüler der Liebfrauen­schule haben sich an einem Europa-Projekt in Maastricht beteiligt und wertvolle Erfahrunge­n gesammelt.

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