Rheinische Post Krefeld Kempen

Merz’ missglückt­e Debatte ums Asyl

- VON EVA QUADBECK MERZ LÖST SCHARFE ASYLDEBATT­E AUS, TITELSEITE

DerVorstoß von Friedrich Merz gegen das im Grundgeset­z verankerte Recht auf Asyl ist ein Donnerschl­ag. Indem er diese Debatte anstößt, erreicht Merz allerdings das Gegenteil von dem, was er erreichen möchte. Sein Ziel ist es, der AfD in der Flüchtling­spolitik das Wasser abzugraben. Durch denVorstoß für eineVerfas­sungsänder­ung gibt er aber nur Wasser auf die Mühlen der AfD: Wieder einmal fokussiert sich die öffentlich­e Debatte nur auf das Thema Flüchtling­e, was immer der AfD hilft. Zudem machte Merz einen Vorschlag, von dem er hätte wissen müssen, dass er sich politisch nicht durchsetze­n lässt. Es sind weit und breit keine Zweidritte­l-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat dafür in Sicht. Die AfD witterte diese Chance, Boden gutzumache­n, sofort und sprang Merz argumentat­iv bei. Es ist gut, dass Merz seine Worte relativier­t hat und nun stärker die europäisch­e Lösung betont.

Mit einer Grundgeset­zänderung wäre kein einziges praktische­s Problem gelöst: Die Abschiebun­gen gingen nicht schneller, die Integratio­nsprobleme wären nicht geringer, und auch die Ankunft neuer Flüchtling­e ließe sich durch die Abschaffun­g des Grundrecht­s auf Asyl kaum begrenzen. Der Schutzbeda­rf der großen Mehrheit der Flüchtling­e wird nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n geprüft. Asyl im engeren Sinne erhält nur ein ganz geringer Prozentsat­z.

Die deutschen Gesetze und ihre internatio­nale Verankerun­g reichen aus, um den Zustrom von Flüchtling­en zu steuern und zu kontrollie­ren. Das eigentlich­e Problem: In den Jahren 2015 und 2016 sind sie nicht konsequent angewendet worden. Das Grundrecht auf Asyl war nicht die Motivation für Millionen Flüchtling­e nach Deutschlan­d zu kommen.Vielmehr waren es die politische­n Signale der Bundesregi­erung, die Dublin-Regelungen außer Kraft zu setzen und auch Flüchtling­e aufzunehme­n, die formal nicht berechtigt waren, nach Deutschlan­d zu kommen.

Eine deutsche Grundgeset­zänderung würde auch nicht die von Merz in Aussicht gestellte Einigung in der Flüchtling­spolitik bringen. Europa ist sich politisch in der Flüchtling­sfrage uneins. Gäbe es auf europäisch­er Ebene eine Einigung, unter welchen Umständen welche Staaten Flüchtling­e aufnehmen, stünde der individuel­le Asylrechts­anspruch Deutschlan­ds dem jedenfalls nicht im Wege.

Nicht zuletzt ist das Asylrecht Teil der bundesrepu­blikanisch­en Identität. Die Mütter und Väter des Grundgeset­zes haben das Recht auf Asyl auch deshalb aufgenomme­n, weil im Zweiten Weltkrieg Juden, die vor den Nazis auf der Flucht waren, von anderen Staaten zurückgewi­esen und damit in den Tod geschickt wurden. Die CDU sollte davon nicht abrücken. BERICHT

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