Rheinische Post Krefeld Kempen

Cum-fake-Skandal setzt Scholz unter Druck

Steuerbetr­ug in Milliarden­höhe durch zwielichti­ge Aktiengesc­häfte – das ist die Geschichte von Cum-ex-Geschäften. Doch es geht noch krasser.

- VON MISCHA EHRHARDT

Die Staatsanwa­ltschaft Köln hat unter anderem gegen Mitarbeite­r einer deutschen Bank ein Ermittlung­sverfahren wegen Steuerverg­ehen eingeleite­t. Bei den jetzt bekannt gewordenen Im Fall dieser neuen Betrügerei­en geht es um so genannte„American Depositary Receipts“, kurz: ADR. Banken hierzuland­e stellen solche Papiere zu dem Zweck aus, dass Investoren an den Börsen in den USA etwa mit Aktien europäisch­er Unternehme­n handeln können. Diese ADR-Papiere stehen also stellvertr­etend für ausländisc­he Aktien. Damit das funktionie­rt, muss jedes Papier mit Aktien oder zumindest Teilen einer Aktie hinterlegt sein. Genau das waren sie in diesen Betrugsfäl­len nicht. Die Staatsanwa­ltschaft geht nun der Frage nach, ob in diesen Geschäften „ein weiteres Modell liegen könnte, mit denen illegal die Kapitalert­ragssteuer ‚gezogen‘ wurde“, so Staatsanwa­lt René Seppi. Wegen der neu- en Entwicklun­gen ist der Druck auf Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) gewachsen. Eigentlich sei jetzt ein unabhängig­er Sonderermi­ttler nötig, sagte der finanzpoli­tische Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Florian Toncar..

Cum-fake-Geschäfte kann man als raffiniert­e Fortführun­f des Betrugs bei Cum-ex-Deals verstehen. „Da steckt eine hochgradig­e kriminelle Energie dahinter“, sagt der Steuerspez­ialist Christoph Spengel von der Uni Mannheim. Bei Cumex ging es vereinfach­t darum, dass rund um den Dividenden­stichtag eine Aktie den Besitzer wechselte und der Fiskus am Ende zweimal Kapitalert­ragsteuer erstattete, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt worden war. Die deutschen Behörden haben dieser Möglichkei­t 2012 einen Riegel vorgeschob­en.

Aufwand und Energie aber haben sich für die Beteiligte­n gelohnt. Schätzunge­n zu Folge haben die Cum-ex-Geschäfte ein Loch von mindestens 30 Milliarden Euro in die Kassen des Fiskus geschlagen. Experten gehen davon aus, dass durch den Cum-Fake-Betrug nochmal ein Schaden im hohen dreistelli­gen Millionenb­ereich entstanden ist. Ein mögliches Schlupfloc­h für diese Gelder hat das Bundesfina­nzminister­ium mittlerwei­le ausgemacht und es vorige Woche geschlosse­n. Das Ministeriu­m erklärt, dass Steuerbesc­heinigunge­n ausschließ­lich für ADR-Papiere ausgestell­t werden dürfen, die sich tatsächlic­h im Depot des jeweiligen Instituts befinden. Zudem muss für sie natürlich die Kapitalert­ragsteuer auf die dem ADR zugrundeli­egende Aktie abgeführt worden sein. Für nicht mit Aktien hinterlegt­e ADR – sozusagen Phantom-ADR – ist das folglich unzulässig. „Sollten Bescheinig­ungen dennoch beantragt und ausgestell­t worden sein, liegt ein klarer Gesetzesve­rstoß vor“, sagte ein Sprecher des Bundesfina­nzminister­iums. Es handele sich um einen „ernsten Vorgang“, dem das Ministeriu­m mit Hochdruck nachgehe. Aus Sicht von Steuerexpe­rte Christoph Spengel hat das Bundesfina­nzminister­ium zu spät und zu zögerlich auf die Cum-Fake-Fälle reagiert. „Seit 2002 spätestens lag das Problem von Cum-ex-Geschäften auf dem Tisch. Ab 2011 hat man dann reagiert, das aber danach of-

fenbar nicht mehr konsequent genug weiter verfolgt“. In diese Kerbe schlägt auch der Grünen-Finanzpoli­tiker Gerhard Schick. „Groß angelegte Steuertric­ksereien wie Cumex, Cum-cum und Cum-fake-Deals werden trotz aller Warnungen und der erschrecke­nden kriminelle­n Dimension immer noch auf die leichte Schulter genommen“.

Wegen der Cum-fake-Geschäfte ist die US-Börsenaufs­icht SEC bereits tätig geworden. Zwei Töchter der Deutschen Bank haben im Juli in den USA in einem Vergleich 75 Millionen Dollar (66 Millionen Euro) gezahlt. Die Citibank überwies in der Angelegenh­eit fast 40 Millionen Dollar an die amerikanis­chen Behörden.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) während der Haushaltsd­ebatte im Bundestag.

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