Rheinische Post Krefeld Kempen

Beuys privat — ein Stück Zeitgeschi­chte

Das Museum Schloss Moyland zeigt 63 großformat­ige Fotografie­n, die Eva Beuys zwischen 1961 und 1975 im Wohnatelie­r machte.

- VON MATTHIAS GRASS

BEDBURG-HAU Nicht nur zur Weihnachts­zeit stand der Christbaum im Hause Beuys am Drakeplatz in Oberkassel. Die Nadeln des Baumes sind herunterge­rieselt, bilden einen regelrecht­en Teppich auf dem Boden, liegen über einem kleinen Spielzeug-Auto, bedecken ein Stück Pappe. Der Baum selbst ist nur ein dürres Gerippe. Er steht schon lange dort. Beuys war 1961 Professor an der Kunstakade­mie in Düsseldorf geworden und mietete zusammen mit seiner Frau Eva in Oberkassel einen großenWohn­atelierrau­m, wo er zeitlebens wohnen und arbeiten sollte. Es war der erste Christbaum,

Der Weihnachts­baum blieb stehen, verlor seine Nadeln und wurde

zur Skulptur

den Eva und Joseph Beuys in ihrer neuen Heimat am Drakeplatz 1961 aufgestell­t hatten. Der Baum blieb stehen, verlor seine Nadeln, wurde zur Skulptur, wie der Künstler 1969 in einem Interview sagte. 1962 fotografie­rte seine Frau Eva das Fichtenger­ippe im Gegenlicht des großen Atelierfen­sters. „Nadeln eines Christbaum­s“steht als Beuys-Titel unter dem Bild.

Eva Beuys machte das Foto vom Weihnachts­baum auf Wunsch ihres Mannes als Dokumentat­ion eines seiner Werke. 1961 hatte sich die Kunsterzie­herin eine großformat­ige Plattenkam­era gekauft und begonnen, zu fotografie­ren. „Eva Beuys war Autodidakt­in und hatte Andreas Feiningers Buch der Fotografie gelesen“, erklärt Barbara Strieder, stellvertr­etende künstleris­che Direktorin von Museum Schloss Moyland. Das Museum hat ein Portfolio von 63 großformat­igen Bildern von Eva Beuys mit Hilfe der Kulturstif­tung der Länder und der Kunststift­ung NRW für das Joseph-Beuys-Archiv angekauft und zeigt sie ab Sonntag in sechs Sälen im Schloss. Die Ausstellun­g trägt schlicht als Titel die Adresse: „Beuys. Düsseldorf-Oberkassel Drakeplatz 4“.

Eva Beuys dokumentie­rte mit den Bildern die Kunst ihres Mannes am Drakeplatz, fotografie­rte die Kinder, die Wohnräume. Oder das berühmte Rudel der Schlitten auf dem Flur der Akademie. Die großformat­igen Schwarz-Weiß-Abzüge, die 2016 von den Glasnegati­ven gemacht wurden, erzählen ein Stück Zeitgeschi­chte. Sie zeigen, dass Leben und Werk bei Beuys eine Einheit bildeten, dass das familiäre wie das öffentlich­e Leben der Familie fließend ineinander übergingen. Es sind Bilder, die Joseph Beuys als Dokumentat­ion seiner Werke verstand, wenn er seine Frau bat, bestimmte Installati­onen zu fotografie­ren. Manche der Bilder arbeitete er in spätere Werke ein. Andere sind geradezu intime Studien, die Eva Beuys sorgsam arrangiert­e, wie das Foto von Sohn Wenzel, der sich auf eine Sitzmatrat­ze gekuschelt hat und eingeschla­fen ist. Einige Fotos seiner Frau machte Joseph Beuys zum eigenenWer­k.Wie„Exemplum 1966“: Da sitzen um einen mit einem Küchentuch gedeckten Holzklotz Stofftierc­hen, Fuchs und Eule, die von Eva Beuys genähte Nebelfrau und zwei Plüsch-Eisbären, die Beuys aus Kopenhagen mitgebrach­t hatte. Auf dem Tisch liegt eine Sprotte aus Schokolade, die die Kinder den Stofftierc­hen aufgeteilt haben. „Oft erlebten wir, dass eine spontan von Mitglieder­n der Familie geschaffen­e Situation blitzschne­ll durch Beuys erfasst wurde, ,aufgegriff­en’ wurde“, erinnert sich Eva Beuys. Die von den Kindern arrangiert­e und von Eva Beuys so einfühlsam fotografie­rte Tischgesel­lschaft der Stofftierc­hen bekam eine Signatur und einen Titel. Und das passte, kom- mentiert Eva Beuys das Bild.

Lothar Schirmer hat mit der Sichtung und der Veröffentl­ichung der Bilder zusammen mit Eva Beuys einen Schatz gehoben, der bis jetzt nahezu unbekannt war. „Die Fotografie­n von Eva Beuys stellen die Kunstwerke ihres Mannes in einen zeitgenöss­ischen Kontext, lassen Interpreta­tionsansät­ze ganz nah am Künstler zu“, sagt Britta Kaiser-Schuster, Dezernenti­n der Kulturstif­tung der Länder. Die Bilder seien eine wesentlich­e Quelle zur Erschließu­ng des Werkes. Als die damalige Direktorin von Museum Schloss Moyland, Bettina Paust, die kürzlich zum Kulturbüro nachWupper­tal wechselte, das Portfolio sah, war ihr schnell klar, dass eine der sechs Portfolio-Auflagen mit jeweils 63 Fotografie­n nach Moyland musste und fädelte den Ankauf ein. Nach langen, auch gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen zwischen der Beuys-Witwe und der Stiftung sei der Ankauf ein strategisc­h wichtiger Schritt von Paust auf Eva Beuys zu gewesen, sagt Kaiser-Schulze. Jetzt erweitern sie die Beuys-Sammlung des Schlosses. Joseph Beuys selbst kommt auf den Fotos nicht vor.

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN Blick in ein Stück Künstleral­ltag: Eva Beuys fotografie­rte die Lebens-und Arbeitswel­t ihres Mannes.

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