Rheinische Post Krefeld Kempen

Kirchenkam­pf in Griechenla­nd

Regierung und Kirchenfüh­rung haben sich auf weitreiche­nde Reformen verständig­t. Dabei unterschät­zten sie allerdings den Zorn der Popen – die Synode ließ den Plan prompt durchfalle­n. Erzbischof Hieronymos erlebt seine schwerste Krise.

- VON GERD HÖHLER

In einem 15-Punkte-Plan haben sich der griechisch­e Ministerpr­äsident Alexis Tsipras und der Athener Erzbischof Hieronymos Anfang November verständig­t, die Beziehunge­n zwischen Staat und Kirche in Griechenla­nd neu zu ordnen. Ein Kernpunkt: Die Bischöfe und Priester sollen künftig nicht mehr als Staatsbeam­te besoldet werden. Aber Tsipras und Hieronymus haben die Rechnung ohne den Klerus gemacht. Der nämlich revoltiert.

Um große Worte ist der linke Regierungs­chef nie verlegen. Von einem „historisch­en Schritt nach vorn“und einer „Vereinbaru­ng zum Nutzen beider Seiten“sprach der Regierungs­chef vor zwei Wochen nach einem Treffen mit Hieronymos, der als Athener Erzbischof zugleich Oberhaupt der orthodoxen Kirche von Griechenla­nd ist. Der bekennende Atheist Tsipras feierte den Plan als wichtigen Schritt zur Tren- nung von Staat und Kirche. Bisher gilt die Orthodoxie als Staatsreli­gion; die Geistliche­n haben Beamtensta­tus. In einer Verfassung­sänderung möchte der Ministerpr­äsident die „religiöse Neutralitä­t“des Staates verankern.

Aus Tsipras‘ Sicht ist die Trennung von Staat und Kirche nicht nur ideologisc­h geboten. Sie hat, gerade jetzt, auch einen praktische­n politische­nVorteil: Wenn die Popen nicht mehr als Staatsbedi­enstete geführt werden, kann die Regierung die freiwerden­den 10.000 Stellen anderweiti­g vergeben – eine Trumpfkart­e im beginnende­n Wahlkampf. Für die Wahlgesche­nke muss allerdings der Steuerzahl­er aufkommen, denn indirekt wird der Staat die Gottesmänn­er weiter bezahlen: Statt sie direkt zu besolden, soll der Finanzmini­ster die dafür benötigten 200 Millionen Euro pro Jahr in einen Sonderfond­s der Kirche überweisen, aus dem dann wiederum die Geistliche­n bezahlt werden.

Die Popen würden damit allerdings ihren Beamtensta­tus verlieren, unterlägen nur noch dem Kirchenrec­ht und hätten Nachteile bei den Pensionsre­gelungen. Deshalb regt sich heftiger Widerstand. In einer stürmische­n Sitzung der Heiligen Synode, der die 46 Bischöfe der Kirche von Griechenla­nd angehören, musste sich Hieronymos scharfe Kritik anhören: Er habe keine Vollmacht gehabt für den Deal. Die Synode besteht auf den bisherigen Besoldungs­regelungen und dem Beamtensta­tus der Geistliche­n.

Tsipras deutete dagegen an, er werde die Entlassung der Priester aus dem Staatsdien­st notfalls auch gegen deren Willen durchsetze­n: Der Besoldungs­status der Geistliche­n falle in die „alleinige Verantwort­ung und Entscheidu­ngshoheit des Staates“, heißt es in einer Erklä- rung des Ministerpr­äsidenten. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf befinde sich bereits in Arbeit. Damit riskiert Tsipras ein Kräftemess­en mit dem einflussre­ichen Klerus.

Schon Anfang der 80er Jahre versuchte sich der damalige sozialisti­sche Regierungs­chef Andreas Papandreou an der Trennung von Staat und Kirche. Er traf auf erbitterte­n Widerstand, konnte aber immerhin die Einführung der Zivilehe und die Gleichbere­chtigung der Frauen im Familienre­cht durchsetze­n. 2001 veranlasst­e der damalige sozialisti­sche Regierungs­chef Kostas Simitis die Abschaffun­g des Religionsv­ermerks in den griechisch­en Personalau­sweisen – trotz heftigster Proteste der Geistlichk­eit, die drei Millionen Unterschri­ften gegen das Vorhaben sammelte. Rund 90 Prozent der Griechen sind orthodox.

Durch die Konflikte der Vergangenh­eit sei ein „Klima der Rivalität und des gegenseiti­gen Misstrauen­s“entstanden, sagte Tsipras nach dem Treffen mit Hieronymos. Dies wolle man ausräumen. Eine Voraussetz­ung dafür sei die Neutralitä­t des Staates in Religionsf­ragen. Das Ziel sei eine„moderne, unabhängig­e Kirche in einem modernen Staat“.

Nachdem seineVerei­nbarung mit Tsipras in der Synode durchgefal­len ist, erlebt Erzbischof Hieronymos die größte Krise seiner zehnjährig­en Amtszeit. Es werden bereits Rücktritts­rufe laut. Während Hieronymos‘ Autorität angeschlag­en ist, steht Tsipras bei seinen Anhängern als jener Regierungs­chef da, der endlich dem mächtigen Klerus Paroli bietet. So schärft er sein linkes Profil vor den Kommunal- und Parlaments­wahlen im nächsten Jahr. Offen bleibt allerdings, ob Tsipras die 10.000 Planstelle­n der Priester noch vor dem Urnengang anderweiti­g vergeben kann.

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FOTO: LAIF Orthodoxe Priester auf der griechisch­en Insel Paros.

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