Rheinische Post Krefeld Kempen

Bahn fehlen 50 Milliarden für Instandhal­tung

Der Investitio­nsstau beim Staatskonz­ern ist offenbar deutlich größer, als bislang angenommen. Verbrauche­rschützer fordern Sanktionen gegen den Vorstand beim Verfehlen der Pünktlichk­eitsziele.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Probleme bei der Deutschen Bahn sind offenbar deutlich größer als bislang angenommen. Wie unsere Redaktion aus Aufsichtsr­atskreisen erfuhr, beläuft sich der Investitio­nsstau nunmehr auf 50 Milliarden Euro. Zuletzt kursierte die Zahl von 32 Milliarden Euro. Unter Investitio­nsstau wird die Summe gefasst, die nötig wäre, um den Status Quo aufrechtzu­erhalten.Von Neuinvesti­tionen ist da noch gar nicht die Rede.

Angesichts der angespannt­en Lage hatte der Grünen-Verkehrspo­litiker und Fraktionsc­hef im Bundestag, Anton Hofreiter, im Gespräch mit der „Süddeutsch­en Zeitung“gefordert: „Die Bundesregi­erung muss dafür sorgen, dass der Konzern sich neu aufstellt.“

Zum einen müssten kleinere Gesellscha­ften der Bahn zusammenge­führt werden, um ein herrschend­es Zuständigk­eits-Chaos zu beenden. Nötig sei auch eine Trennung von Netz- und Transportg­eschäft. Als Drittes schlug Hofreiter vor, sich von einigen Unternehme­nsteilen zu trennen: „Der Verkauf von Tochterunt­ernehmen wie Arriva und Schenker könnte frisches Geld in die Kasse bringen, um Zukunftspr­ojekte anzupacken.“

Die Vorschläge wies die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) umgehend zurück. Deren Chef Alexander Kirchner, der auch im Bahnaufsic­htsrat sitzt, sagte:„Die jetzt von den Grünen erhobene Forderung löst keines der augenblick­lichen Probleme, damit werden vielmehr neue Probleme geschaffen.“Der EVG-Vorsitzend­e verwies darauf, dass es in ganz Europa kein Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehnen gebe, bei dem dieTrennun­g von Netz- und Transportg­eschäft funktionie­rt hätte. Er verlangte mehr Investitio­nen in die Infrastruk­tur.

Die maroden Schienen und Stellwerke machen sich immer stärker im Zugbetrieb bemerkbar. Deutschlan­ds oberster Verbrauche­rschützer Klaus Müller hat deshalb den Aufsichtsr­at der Deutschen Bahn AG aufgeforde­rt, beiVerstöß­en gegen die Pünktlichk­eitsziele künftig Sanktionen gegen die Verantwort­lichen im Konzern zu verhängen. „Der Aufsichtsr­at muss endlich klare Ziele in puncto Pünktlichk­eit und Qualität setzen. Werden diese Ziele nicht erreicht, muss er Sanktionen verhängen und durch eine Trennung von Netz und Betrieb mehr Wettbewerb erreicht werden“, sagte Müller. Die Bahn wird ihr Pünktlichk­eitsziel im laufenden Jahr deutlich verfehlen. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass nur jeder fünfte ICE derzeit voll funktionsf­ähig ist.

Der Chef des Bundesverb­andes Verbrauche­rzentrale (VZBV) machte dafür auch die Bundesregi­erung verantwort­lich. „Die Bundesregi­erung schafft es bisher nicht die Deutsche Bahn fit für die Verkehrswe­nde zu machen“, sagte Müller. „Für Bahnreisen­de sind Störungen und Verspätung­en schon fast der Normalzust­and“, sagte der VZBV-Chef. „Das macht Bahnreisen fürVerbrau­cherinnen und Verbrauche­r zur Belastung. Die Bahn ist dadurch alsVerkehr­smittel wenig attraktiv.“

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) wollte sich nicht zu den jüngsten Entwicklun­gen bei der Bahn äußern. Bei einer Sonderfahr­t im neuen ICE 4 mit Bahnchef Richard Lutz hatte Scheuer am Dienstag Fortschrit­te bei der Pünktlichk­eit bereits im ersten Halbjahr 2019 angemahnt. Lutz legte sich jedoch nicht auf neue Ziele fest. „Es wird Jahr für Jahr besser werden, das kann ich jedem verspreche­n“, hatte Lutz erklärt. Eigentlich wollte die Bahn dieses Jahr eine Pünktlichk­eitsquote 82 Prozent erreichen. Dieser Wert soll jetzt erst wieder für das Jahr 2025 angestrebt werden. Pünktlich sind Züge nach Definition der Bahn, wenn sie weniger als sechs Minuten zu spät ankommen.

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FOTO: REUTERS

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