Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie ich Manuel Neuer bezwang

GASTBEITRA­G Fortuna Düsseldorf­s Legende „Lumpi“Lambertz erinnert sich an sein einziges Bundesliga­tor – im März 2013, ausgerechn­et gegen Manuel Neuer. Am Samstag (15.30 Uhr) spielt Fortuna erstmals seit damals wieder gegen Bayern.

- VON ANDREAS „LUMPI“LAMBERTZ

MÜNCHEN Viele Menschen mögen es ja nicht, wenn sie immer wieder auf eine bestimmte Situation reduziert werden. Schauspiel­er auf einen Film, Musiker auf einen Song. Ich jedoch muss zugeben, dass es mich gar nicht stört, wenn mich die Leute auch heute noch auf jenen Tag in der Münchner Arena ansprechen, nach mehr als fünf Jahren. Warum sollte es mich auch stören? Es war mein einziges Bundesliga-Tor, das auch noch in München, und ich war damals der erste Fußballer, der für denselben Klub, Fortuna Düsseldorf, in vier verschiede­nen Spielklass­en einen Treffer erzielt hatte. Deshalb hauen mich die Leute gern darauf an – und alle erzählen dann gleich dazu, wie geil alles war.

Bevor es losging an diesem 9. März 2013 hatte ich, ehrlich gesagt, solche Gedanken nicht. Wir kamen als Aufsteiger und krasser Außenseite­r zum FC Bayern, der vor unserer Partie – ich hab das noch mal nachgescha­ut – mit 17 Punkten Vorsprung und der Tordiffere­nz von 64:8 die Tabelle anführte. Mit einem Sieg rechnest du da nicht zwangsläuf­ig, aber wir wollten das Beste draus machen. Das galt auch speziell für Leon Balogun und mich, denn wir bildeten gemeinsam Fortunas rechte Seite und hatten dort Franck Ribéry und David Alaba gegen uns.Wenn man sich das richtig überlegt, eine ziemlich undankbare Aufgabe.

Dann gingen wir doch mit einem 1:1 in die Pause. Wir hatten sogar geführt: Axel Bellinghau­sen schlug nach einer Viertelstu­nde eine Flanke, ich köpfte in die Mitte, und da stand Mathis Bolly. Tor für uns. Erst kurz vor der Halbzeit erzielte Thomas Müller den Ausgleich. Es war schon bis dahin ein hartes Stück Arbeit, wir mussten permanent Vollgas geben.

Als es wieder losging, haben wir trotzdem 25 Minuten lang alles reingehaue­n und das 1:1 gehalten. Und dann kam diese Szene. Ein langer Ball von unserem Torhüter Fabian Giefer – das heißt, ich glaube, dass es Fabi war, ganz sicher bin ich mir nicht, weil die Szene in keinem Video, das ich gefunden habe, voll eingefange­n ist. Ich sah den Ball und dachte mir: Mensch, du stehst me- terweit im Abseits! Deshalb bin ich erst im Bogen zurückgela­ufen. Dann bemerkte ich, dass Oliver Fink zum Kopfball hochging, und wenn Olli das tut, dann erwischt er die Kugel in der Regel auch. Also habe ich darauf spekuliert und bin wieder losgesprin­tet.

Was dann kam, war völlig verrückt. Ich dachte immer noch, ich sei abseits – aber das Spiel lief weiter. Später hat mir Schiedsric­hter Tobias Stieler gesagt: „Das war ein sensatione­ller Laufweg!“Dabei habe ich nur versucht, alles auf die Kette zu kriegen: realisiere­n, dass ich doch nicht im Abseits stehe, im Vollsprint den Ball kontrollie­ren, obwohl der wie wild hoppelte. Und als ich den Ball unter Kontrolle hatte, waren Alaba und Philipp Lahm schon wieder da.

DerWeg wurde immer länger, und Manuel Neuer vor mir immer größer. Ich wusste: Jetzt hilft kein Zö- gern mehr, jetzt gibt es keine Alternativ­e. Ich musste schnell zum Abschluss kommen, sonst hätten sie mich. Also habe ich geschossen – und im nächsten Moment ist der Gästeblock eskaliert. Der Ball war drin, wir führten bei den Bay- ern knapp 20 Minuten vor Schluss 2:1, und wir Spieler waren wie unsere mehr als 7000 Fans völlig aus dem Häuschen.

Am Ende haben wir doch verloren, weil Ribéry schon zwei Minuten später das 2:2 machte und Jerome Boateng in der 86. Minute mit seinem allererste­n Bundesliga­tor das 3:2. Bitter, wenn man so dicht dran war. Noch bitterer, wenn man bedenkt, dass ein Punkt mehr uns in der Endabrechn­ung in die Relegation gebracht hätte. Was hilft dir eine gute Leistung, wenn du am Ende doch mit leeren Händen dastehst?

Am Samstag hat Fortuna wieder die Chance, bei den Bayern eine Überraschu­ng zu schaffen. Fünf Jahre nach uns. Dass die Bayern derzeit keine so gute Phase haben, wird total überbewert­et. Vieles ist möglich. Wenn die Jungs richtig hart arbeiten, gut stehen und gefährlich­e Konter fahren – warum nicht?

Unser Autor hat 13 Jahre lang für Fortuna Düsseldorf gespielt und war 2012/13 Kapitän des Bundesliga­teams. Heute ist er Führungssp­ieler der Fortuna-Zweitvertr­etung in der Regionalli­ga.

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DIGITALFOT­O MATTHIAS Der große Moment des „Lumpi“Lambertz (grünes Trikot): Der Kapitän der Fortuna trifft gegen Manuel Neuer. Links Philipp Lahm.

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