Rheinische Post Krefeld Kempen
Machtlos gegen Fahrverbote?
Alle deutschen Großstädte sind betroffen vom drohenden Fahrverbot. Was läge da also näher als ein Pakt gegen die Stiftung „Deutsche Umwelthilfe“?
Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat diese Woche in einem bitteren Kommentar für das Handelsblatt die Automobilindustrie wegen der Dieselproblematik angeklagt. Geisel argumentiert, als Verursacher des Schadens (Betrug bei den Messwerten, daher zu viel Luftbelastung) müsste sie, formal-juristisch, für die Beseitigung aufkommen. Dass sie das nicht tue, sei ein Skandal. Einen Brief vom Kraftfahrtbundesamt an Dieselfahrer, in dem diese aufgefordert werden, die Wechselprämien der Hersteller zu nutzen und neue Autos zu kaufen, bezeichnet der Rathaus-Chef als Treppenwitz. Aber das Fazit des OB lautet am Ende, die Stadt sei der Automobilindustrie ausgeliefert.
Ist das wirklich so? Alle deutschen Großstädte sind betroffen vom drohenden Fahrverbot. Was läge also näher als eine Art Pakt der Metropolen gegen diesen von einem dubiosen Verein namens Deutsche Umwelthilfe (DUH) ausgelösten Irrsinn, unter dem Millionen zu leiden haben, weil sie sich regelrecht enteignet fühlen? Die großen Städte des Landes repräsentieren immerhin eine enorme wirtschaftliche und politische Macht. Sie haben exzellente Kontakte zu sämtlichen Autokonzernen, sie werden von Dutzenden Abgeordneten verschiedener Par- teien im Reichstag vertreten. Das alles soll keine Rolle spielen?
Diese Woche hat das Verwaltungsgericht Darmstadt ein drohendes Fahrverbot nicht verhängt, sondern den Beteiligten Fristen gesetzt, andere Lösungen zu finden. Ein bisher einmaliger Vorgang: Die Richter signalisieren Kompromissbereitschaft. Er kann beispielhaft sein, auch für Düsseldorf
Warum setzt sich Düsseldorf, immerhin täglich Anlaufpunkt hunderttausender Pendler, nicht an die Spitze der Bewegung und startet eine Informations-Offensive, in der klargemacht wird, wer die Luft wie stark belastet und was man dagegen tun kann? Warum sucht man nicht den Schulterschluss mit anderen Pendlerhochburgen wie Köln, dem Revier, Hamburg, Frankfurt und München, tritt als Bündnis auf im Interesse der Menschen? Das Ziel könnte eine Allianz sein, die Programme für bessere Luft auf den Weg bringt und versucht, den betroffenen Autofahrern dabei zu helfen, die Konzerne für die Kosten einer Nachrüstung in die Pflicht zu nehmen. Berlin könnte ein solches Bündnis schwer ignorieren. Dies wäre auch im eigenen Interesse: Was da gerade passiert, befeuert nämlich die Politikverdrossenheit der Menschen immens. Es ist eben keinem klarzumachen, dass die Regierung einerseits über Jahre den Diesel fördert, um dann seine Verteufelung wie ein Naturereignis hinzunehmen – auf Kosten der Autofahrer. Außerdem hat sich längst herumgesprochen, dass es in anderen EU-Ländern zwar Einschränkungen in Umweltzonen wie der unseren gibt, echte Fahrverbote aber selten sind. Wo sie verhängt werden, beruhen sie auf sehr unterschiedlichen Grundlagen und wurden nicht so radikal umgesetzt wie hier, wo man urplötzlich entschied, das Weltklima an der Düsseldorfer Corneliusstraße zu retten. Hilfreich für deutsche Städte wäre ein Blick nach Mallorca . Dort hat die Regierung den Diesel ebenfalls im Visier. Der Antrieb soll, wie auch die Benziner, auf lange Sicht aus dem Verkehr gezogen werden. Aber man streckt dieses Programm über mehrere Jahre, gibt den Autofahrern eine Art Bestandsschutz, aber auch die klare Botschaft, dass mittelfristig das nächste Auto auf keinen Fall mehr einen Diesel- und langfristig überhaupt keinen Verbrennungsmotor haben darf. Eine vernünftige Lösung. Wieso soll so etwas nicht hier möglich sein? So oder so: womöglich ein Thema, mit dem sich Geisel profilieren könnte.
HANS ONKELBACH