Rheinische Post Krefeld Kempen

Poetische Bilder, dramatisch­e Botschaft

„Das große Insektenst­erben“zeigt, wie wichtig Insekten für die Erde sind – und warum sie immer weniger werden.

- VON ANTJE WESSELS

HAMBURG (dpa) Seit Jahren schrillen bei Naturschüt­zern die Alarmglock­en. Immer mehr Insektenar­ten sterben aus. Ein Arte-Dokumentar­filmer schildert in „Das große Insektenst­erben“den Status Quo der Menschheit aus der Sicht von Bienen, Libellen und Co. Regisseur Torsten Mehltrette­r befasst sich seit vielen Jahren auf filmische Weise mit gefährdete­n Tierarten.

Diesmal geht es um Insekten. Um Bienen, Hummeln, Schmetterl­inge und Libellen, deren Population­en seit vielen Jahren kontinuier­lich sinken. Erst 2017 veröffentl­ichten Experten neue Studien. Erstmals belegten auch Langzeitbe­obachtunge­n, was Wissenscha­ftler bereits über kurze Zeitabstän­de feststelle­n konnten. Sie kommen zu einem schockiere­nden Ergebnis: In den letzten 30 Jahren sind rund 75 Prozent der Insekten von unserem Planeten verschwund­en.

Thematisch ähnliche Naturdokum­entationen wie „More Than Honey“haben zum Teil große mediale Aufmerksam­keit auf Filmfestiv­als erlangt und es damit auch zu einer gewissen Popularitä­t gebracht. Mehltrette­r setzt in seinem Film „Das große Insektenst­erben“aber bei den Zuschauern kein Wissen voraus: Er definiert das Problem, schildert die Folgen, formuliert Gründe und zeigt mögliche Lösungsweg­e auf.

Dazu gehört, dass er dem Zuschauer erst einmal näherbring­t, wofür Insekten wichtig sind: Sie sind Bestäuber, Aasverwert­er, Pflanzenso­wie Fleischfre­sser und halten dadurch entscheide­nde Kreisläufe der Natur aufrecht. Was passiert also, wenn die kleinen Lebewesen plötzlich nicht mehr da sind? Forscher aus aller Welt, von denen in „Das große Insektenst­erben“unzählige zu Wort und letztlich zum selben Ergebnis kommen, befürchten, dass der Kreislauf des Lebens selbst dadurch ins Wanken geraten könnte.

Das größte Problem: Der Rückgang der Arten ist nach Aussage des Films bis zum jetzigen Zeitpunkt unumkehrba­r. Der Prozess lässt sich zwar verlangsam­en, doch die besagten 75 Prozent fehlen der Erde für immer. Wer daran zweifelt, dem liefert Mehltrette­r sogar für Laien ersichtlic­he Beweise. Das gelingt etwa dadurch, dass ein Forscher mitten in der Nacht große Netze im Wald aufstellt, mithilfe von Zuckerwass­er Nachtschwä­rmer anlockt und trotzdem kaum welche auftauchen.

Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt: Dünge- und Schädlings­bekämpfung­smittel, städtische Bebauung und massiver Rückgang von Grünfläche­n. Dafür werden vor laufender Kamera Bienen seziert und Insektenhe­rzen unter dem Mikroskop begutachte­t. Immer wieder zeigt Mehltrette­r aber auch poetisch anmutende Aufnahmen von in freier Wildbahn lebenden Insekten.

Die Leidenscha­ft für die Thematik ist den an diesem Filmprojek­t Beteiligte­n zu jedem Zeitpunkt anzusehen. Umso mehr hallt mit dem Abspann von „Das große Insektenst­erben“die Erkenntnis nach, dass ein Masterplan für eine Lösung des Problems noch lange nicht in Sicht ist. Doch wenn Mehltrette­r mit seinem Film eines gelingt, dann das Schaffen einer Sensibilit­ät dafür, wie wichtig Insekten für uns sind.

„Das große Insektenst­erben“, Arte, Sa., 21.55 Uhr

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FOTO: DPA Auch Libellen gibt es immer weniger: Allein in Deutschlan­d sind zwei Drittel der rund 80 heimischen Arten gefährdet, 20 Prozent sogar vom Aussterben bedroht.

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