Rheinische Post Krefeld Kempen

Wühlen in altem Schlamm

Das deutsch-polnische „Polizeiruf “-Team ermittelt wieder – leider öde in Frankfurt/Oder.

- VON MARTINA STÖCKER

FRANKFURT/ODER Nun hat die #metoo-Debatte auch den „Polizeiruf“erreicht: Gerd Heise (Götz Schubert) arbeitet als Arzt und hat ziemlich oft seinen Arbeitspla­tz gewechselt. An seinen altenWirku­ngsstätten gab es immer Vorwürfe von Frauen, die behaupten, er habe sich ihnen gegenüber unpassend verhalten oder sogar versucht, sie zu vergewalti­gen. Aber Gerd Heise kann froh sein: Nie hat eine Frau den Mut gefunden oder den Sinn darin gesehen, ihn anzuzeigen und ihn so zu stoppen. Zum Glück steht auch seine Frau Katarzyna (Lina Wendel) zu ihm. Er sei schuldlos, bekräftigt sie, die Frauen wollten ihm nur etwas anhängen. Aus Eifersucht, weil sie ihn nicht bekommen könnten.

Dieses ganze Konstrukt fängt an zu wanken, als das Au-pair-Mädchen Paula, das Heises Enkelkinde­r betreut, tot in der Oder gefunden wird. Sie ist nicht ertrunken, sondern wurde erwürgt. Heise hat kein Alibi, und schon wühlen die „Polizeiruf“-Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowic­z) den ganzen Schmutz der Vergangenh­eit auf. Der Doktor gibt sich als Opfer von Verleumdun­g und Verschwöru­ng. Doch warum verschwand seine Stieftocht­er Julia vor 15 Jahren? Ihr Vater Pawel Sikorski verdächtig­t seitdem den neuen Mann an der Seite seiner Ex-Frau. Er soll Julia damals schon bedrängt und bedroht haben, obwohl er heute beteuert, er habe sie wie sein eigenes Kind geliebt.

Der Krimi „Der Fall Sikorska“ist arg betulich, richtig Fahrt nimmt der Fall nie auf. Das einzige Mitreißend­e ist die Strömung der Oder. Es gibt zu viele Zeit- und Ortssprüng­e. Wann hatte der Arzt in Potsdam eine Stelle, wann in Eberswalde eine Praxis? Welcher Frau soll er sich wann unpassend genähert haben? Es geht munter hin und her, der Zuschauer wünscht sich fast eine Karte, eine Namenslist­e und einen Zeitstrahl. Dabei fahren die Ermittler Adam und Olga unmotivier­t von Ort zu Ort, die beiden haben sich im Gegensatz zu früheren Fällen rein gar nichts zu sagen. Sie ermitteln den Fall so weg, tiefgründi­ge oder spritzige Dialoge gibt es zwischen den beiden nicht. Viele Zuschauer werden sich gewiss auch daran stören, dass über weite Strecken des Films Polnisch gesprochen wird und sie die Untertitel lesen müssen.

Zu konstruier­t wirkt auch das Drehbuch: Leo, der Halbbruder der Verschwund­enen, zum Beispiel ist erst 25, hat aber schon eine ExFrau, die in einem Berliner Ministeriu­m arbeitet, eine Stelle als Lehrer und schon eine fünfjährig­e Tochter. Geht alles, wirkt aber seltsam. Das Schönste an diesem öden „Polizeiruf“sind die Aufnahmen der Oder.

„Polizeiruf 110 - Der Fall Sikorska“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.

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FOTO: RBB/FEIST Ein Mann, der sich unschuldig gibt, und eine Frau, die ihm alles glaubt. Katarzyna (Lina Wendel) und ihr Mann Gerd (Götz Schubert).

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