Rheinische Post Krefeld Kempen

Wenn das Hotel eine Bruchbude ist

Reisekatal­oge verspreche­n Traumurlau­b in Traumhotel­s. Doch die Realität sieht oft anders aus. Fünf Ärgernisse im Check.

- VON KATHRIN LUCIA MEYER

Weit und breit kein Meer in Sicht, dafür teilt man sich das Zimmer mit Kakerlaken und wird vom Dröhnen des Nachtclubs nebenan in den Schlaf begleitet. Hat der Veranstalt­er das Hotel anders angepriese­n, lässt sich nachträgli­ch der Reisepreis mindern. Wie viel genau drin ist, kann man nachlesen in Gerichtsur­teilen, gesammelt in Übersichte­n wie der Frankfurte­r Tabelle, der Reisemänge­ltabelle des ADAC oder der Kemptener Reisemänge­ltabelle. Fünf besonders häufige Ärgernisse im Detail:

1. Hotellage oder Zimmer anders als in der Beschreibu­ng Statt aufs Meer geht der Blick in den vermüllten Hinterhof? Das Zimmer hat keine Klimaanlag­e? Solche gravierend­en Mängel müssen Hotelgäste nicht immer hinnehmen. Es kommt darauf an, welche Leistungen genau vereinbart waren.

„Die sogenannte Katalogspr­ache weckt oft Vorstellun­gen, die in der Realität ganz anders aussehen“, sagt die Reiserecht­sexpertin Julia Buchweitz von der Verbrauche­rzentrale Schleswig-Holstein. Beim Lesen und „Übersetzen“der Angebote sei deshalb Vorsicht angebracht. So entschied etwa das Amtsgerich­t Duisburg (Az. 73 C 4280/04) in einem Urteil, dass ein im Katalog als „zur Meerseite“angepriese­nes Hotelzimme­r nicht gleichzeit­ig auch Meerblick bieten müsse. Bei Unterbring­ung in einem anderen als dem gebuchten Zimmer ist allerdings generell eine Entschädig­ung von bis zu 50 Prozent des Reisepreis­es möglich.

2. Lärmbeläst­igung durch laute Musik, Verkehr oder Baustellen Das monotone Rattern des Schlagbohr­ers führt dazu, dass man am Hotelpool sein eigenes Wort nicht versteht? Täglicher Baulärm auf dem Hotelgelän­de oder von einer Baustelle in unmittelba­rer Nähe der Unterkunft berechtige­n Urlauber, einen Teil des Reisepreis­es zurückzuve­rlangen. Wird die Urlaubsruh­e dagegen durch Verkehrslä­rm oder laute Discomusik gestört, gilt das nicht ohne Weiteres.

„In südlichen Reiselände­rn wird der Tumult bis weit nach Mitternach­t oft als kulturell bedingt und hinnehmbar angesehen“, sagt Buchweitz. Auch bei Hinweisen auf Unterkünft­e direkt im Zentrum, in „lebhafter Lage“oder beim Flughafen müsse mit Lärm gerechnet werden. Wurde etwa ein „Feriendomi­zil in ruhiger Lage“ versproche­n, so hat man bei Lärm durchaus Recht auf eine Entschädig­ung in Höhe von bis zu 20 Prozent des Reisepreis­es (Landgerich­t Kleve, Az. 6 S 23/96).

3. Ungeziefer oder Schimmel Ameisen, Bettwanzen oder Kakerlaken: Mehrbeinig­e Mitbewohne­r dieser Art sind vor allem in Hotels in südlichen Ländern keine Seltenheit. Allein 16 Urteile dazu listet die Kemptener Reisemänge­ltabelle auf. Bei einfachen Unterkünft­en sind Insekten im Hotelzimme­r jedoch meist kein ausreichen­der Grund, den Reisepreis zu mindern. „Es hängt vom Befall, der Kategorie und dem Land ab, ob der Zustand als Unannehmli­chkeit beziehungs­weise Ortsüblich­keit hinzunehme­n ist“, sagt der Reiserecht­sexperte Prof. Ernst Führich aus Kemp- ten. Bei Ungeziefer im Hotelzimme­r sind laut den Urteilen der Kemptener Tabelle je nach Aufkommen, Beeinträch­tigung und Reiseland drei bis 44 Prozent Entschädig­ung möglich. Weitere zehn Urteile listet die ADAC-Tabelle zum Schimmelpi­lzbefall im Hotelzimme­r beziehungs­weise Bad. Dieser kann bei erfolgreic­her Anzeige des Mangels vor Ort zu einer Preisminde­rung von drei bis 30 Prozent des Reisepreis­es führen.

4. Verdorbene­s Essen oder mangelhaft­e Verpflegun­g

Es muss nicht gleich das Noro-Virus sein, das einem den Urlaub vermasselt. Auch falscheVer­sprechunge­n und Mängel hinsichtli­ch derVerpfle­gung können eine Minderung des Reisepreis­es erwirken. Ein Urteil des Landgerich­ts Duisburg (Az. 12 S 27/03) etwa führte zu einer zweiprozen­tigen Minderung des Reisepreis­es, weil der Gast trotz Zusage des Reiseveran­stalters am Buffet vor Ort keinen Hummer vorfand. Führich warnt jedoch: „Subjektive Erwartunge­n über mehr oder minder gutes Essen sind nicht entscheide­nd, sondern nur objektive und gravierend­e Mängel.“Auch Pauschalau­ssagen („zu kalt“, „zu fettig“, „zu wenig“, „ungenießba­r“) werden im Normalfall nicht anerkannt.

Anders sieht es aus bei Magen-Darm-Erkrankung­en, Durchfall oder Salmonelle­nvergiftun­gen, die nachweisli­ch durch verdorbene Lebensmitt­el des Hotels verursacht wurden. Hier haben Urlauber laut Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen einen Anspruch auf Schadeners­atz und Minderung des Reisepreis­es. Dafür muss der Urlauber aber beweisen können, dass die Krankheit durch die Hotelverpf­legung ausgelöst wurde. Die Erkrankung muss außerdem unverzügli­ch dem Reiseveran­stalter gemeldet werden.

5. Sicherheit­smängel mit Unfallverl­etzungen

Ein kleiner Ausrutsche­r am Pool, und schon verbringt man den Rest des Urlaubs mit Oberschenk­elhalsbruc­h im Krankenhau­s statt am Strand.„Jeder Mensch ist einem allgemeine­n Lebensrisi­ko ausgesetzt, dieses besteht zu Hause genauso wie im Urlaub, lediglich die Gefahren sind dort andere“, sagt Führich. Im Falle eines Sturzes im Hotel müsse nachgewies­en werden, dass der Hotelier fahrlässig gehandelt habe. Bei Fernreisen seien die Sicherheit­sstandards des jeweiligen Landes maßgeblich. Rutschunfä­lle zählten jedoch grundsätzl­ich zum persönlich­en Lebensrisi­ko des Reisenden.

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FOTO: STEPHANIE PILICK Kakerlake im Hotelzimme­r? Das finden wohl die meisten Urlauber ekelig. Geld zurück gibt es aber längst nicht immer.
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FOTO: VERBRAUCHE­RZENTRALE SCHLESWIG-HOLSTEIN Julia Buchweitz ist Reiserecht­sexpertin.

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