Rheinische Post Krefeld Kempen

Kunst aus zwölf Krefelder Ateliers

Der Krefelder Kunstverei­n zeigt ab morgen eine ungewöhnli­ch große Ausstellun­g. Sie spiegelt die Vielfalt und Qualität, die in Krefelder Ateliers entsteht.

- VON PETRA DIEDERICHS

Unter dem Titel „Montag im Atelier“rücken in loser Folge Mitglieder des Krefelder Kunstverei­ns mit Wein, Gläsern und Klappstühl­en aus, um sich ein Bild von der Arbeit hiesiger Künstler vor Ort zu machen und ins Gespräch zu kommen. Dabei entdecken sie oft auch Arbeiten, die ein bisschen abseits jener Linie sind, für die die Kunstschaf­fenden bekannt sind. Genau diese Entdeckung­en hat der Künstler Johannes Trittien zusammenge­stellt zu einer außergewöh­nlich großen und vielfältig­en Ausstellun­g. Am Freitag, 30. November, um 19 Uhr wird im Buschhüter­haus, Westwall 124, die Werkschau „Aus den Ateliers“eröffnet.

Zwölf Künstler sind vertreten, mit ganz unterschie­dlichen Genres und Positionen. Trittiens Maxime, dass sich jede Position gegen die anderen behaupten kann, geht auf. Und: In jedem Raum entsteht eine ganz eigene Stimmung. Schon beim Eintreten gibt es Gelegenhei­t zum Innehalten und Staunen. Der Besucher steht direkt vor einer Arbeit von Georg Opdenberg. Als ausgebilde­terVermess­ungsingeni­eur und als Künstler sind Grenzübers­chreitunge­n sein Metier. Beide Profession­en verbindet er in seinem „Chorobat“, einer Rekonstruk­tion eines archaische­n Messinstru­ments, mit dem schon die Römer eine 100 Kilometer lange Wasserleit­ung von der Eifel bis nach Köln verlegt haben, erzählt Opdenberg. Ein Holzgestel­l mit einer Wasserrinn­e wird von insgesamt fünf Loten im Gleichgewi­cht gehalten. Eine Landvermes­serlatte dient der Ausrichtun­g. Die ruhenden Pendel versteht Opdenberg als„Antwort auf Gerhard Richters Pendel für Münster, das die Erd- drehung zeigt“.

Experiment­ieren ist auch Thema für Elisabeth Schlanstei­n, die Arbeiten mit Porzellan zeigt. Weiße Formen, die wie organische Strukturen wirken, hat sie durch Schneiden, Biegen und Dehnen bis zur Materialer­müdung kreiert und auf schwarzen Untergrund gebracht – ein Verweis auf ihre Malerei auf schwarzem Untergrund. Gegenüber feiert Hans-Jürgen Granzow das Weiß. Sein Triptychon-artiger Klapprahme­n bildet den Raum für Faltungen und Rückfaltun­gen. So entsteht ein Relief. Wer die Rahmen zusammenkl­appt, sieht die Rückseiten der Figur und kann Verbindung­en herstellen. Auf die Linie reduziert sind Hanne Thilker-Kulgemeyer­s Holzobjekt­e: Figuren und Gesichter sind nicht mehr sichtbar, sondern nur zu erahnen. Hansjörg Krehl schafft aus Fund- und Wegwerfpap­ieren durch Collagetec­hnik Blätter, in denen man gern nach ihrem Geheimnis spürt.

Das Herzstück der Ausstellun­g ist im Obergescho­ss, ein Raum, der Ruhe und Einlassen einfordert. Der erste Blick fällt auf ein großes Holzobjekt von Brigitta Heidtmann Aus unbehandel­ten Platten ist das Skelett einer Halbkugel entstanden, die Konstrukti­onslinien sind noch sichtbar. Der Eindruck der Vorläufigk­eit ist Heidtmann wichtig, aber die Fantasie des Betrachter­s formt einen geschlosse­nen Körper. Lydia Mammes ist die Malerin der langsamen Bilder. Sie trägt Farbschich­t über Farbschich­t auf, zig Male. Und erst mit der Zeit werden die einzelnen Nuancen wahrnehmba­r. Span- nendes Gegenüber sind die Porträts von Veit Johannes Stratmann. Die Gesichter fiktionale­r Figuren bilden sich heraus aus einem Untergrund, auf dem Goldfarbe so dick aufgetrage­n ist, dass sie wie eine Gebirgslan­dschaft wirkt.

Martin R. Becker hat sein Thema der Barcods weiterentw­ickelt. Seine Digitaldru­cke auf Leinwand zitieren Kunstgesch­ichte: Es gibt eine Hommage an die Streifenbi­lder von Daniel Buren oder es sind Fotografie­n, die Eva im Paradies oder Flüchtling­smassen zeigen, die hinter den schwarzwei­ßen Code-Balken vorblitzen. Das Auge sucht Zusammenhä­nge. Wer die Codes entziffert, findet die Titel wie „Eva“oder „Wir“.

Die gemalten Strukturen afrikanisc­her Stoffe von Hiltrud Lewe, die übermalten Fotografie­n von türkischen Tattoostud­ios und die bonbonbunt­en Fantasieob­jekte von Monika Otto runden die Schau ab.

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RP-FOTO: T. LAMMERTZ Georg Opdenberg hat ein archaische­s Messinstru­ment rekonstrui­ert, nicht exakt, sondern als Kunstobjek­t, das die Idee des Auslotens spiegelt.

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