Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Tunnelbau zu Düsseldorf

Der Rheinufert­unnel wird 25. Erich Waaser war Projektlei­ter des Vorhabens, das kurz vor Baustart beinahe gestoppt worden wäre.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Im Frühjahr 1993 fuhr Erich Waaser wie jeden Morgen von Meerbusch aus über die Oberkassel­er Brücke zum Planungspa­villon an der Reuterkase­rne. Von oben habe er das Schild über der Einfahrt des im Bau befindlich­en Rheinufert­unnels gesehen.„,Noch 160 Tage’ war da zu lesen und ich dachte: Wir sind wahnsinnig, das schaffen wir nie.“Am 15. Dezember stand der Projektlei­ter des Großvorhab­ens dann aber an der Nordrampe bei der Eröffnungs­zeremonie. Der vorhergesa­gte Eröffnungs­termin war exakt eingehalte­n worden. Dies erfülle ihn heute mit einer gewissen Genugtuung, sagt er, wenn man sich landauf landab Großprojek­te anschaue, sei das ja keine Selbstvers­tändlichke­it.

25 Jahre alt ist der Rheinufert­unnel jetzt, „und dieses Alter sieht man ihm nicht an“, findet Waaser. Der Beton halte ewig, die Wände seien einen Meter dick, das Bauwerk müsse unterhalte­n werden, aber Düsseldorf könne daran noch lange seine Freude haben. Das ist eine gute Nachricht, denn selten hat ein Infrastruk­turprojekt einer Stadt einen solchen Schub gegeben. Deswegen wird es am kommenden Donnerstag im Rathaus auch als Bauwerk des Jahrhunder­ts ausgezeich­net. Gewiss war man sich dieses Siegeszugs und des Lobs von vielen Seiten jedoch damals keineswegs. Die verkehrlic­hen Vorteile seien zwar unbestritt­en gewesen, erinnert sich Waaser. 55.000 Autos quälten sich jeden Tag am Rheinufer entlang, es sei ein permanente­s „Stop and Go“gewesen. Aber es habe durchaus Zweifel ge- geben. „Wir fragten uns besorgt, ob das nicht eine tote Ecke wird, ist ja auch mal zugig dort“, erinnert sich der Ingenieur. Die heutige Situation und der große Zuspruch seien nicht zu ahnen gewesen.

Waaser wurde der Tunnel-Mann. Fachkundig, energisch, seine laute Stimme war ebenso sein Markenzeic­hen wie die obligatori­sche Fliege. Er hat die Eisenbahns­trecke Rath-Eller am Staufenpla­tz tiefer gelegt, den Uni-Tunnel und den Fleher Knoten gebaut, aber die gigantisch­e Buddelei am Rhein war das wichtigste Projekt seines Lebens. „Eine komplexe Aufgabe“, sagt er. „Wir haben ja nicht nur den Tunnel gebaut, sondern 27 Hektar Stadtfläch­e unter den Pflug genommen.“Der Bürgerpark Unterbilk, die Situation an der Gladbacher Straße und der Alte Hafen sind nur einige Stichpunkt­e. Die Errichtung der 1928 Meter langen Tunnel selbst war mit großen Herausford­erungen verbunden. Die größte: die lange Engstelle zwischen Theresienh­ospital und Mannesmann-Hochhaus. Dort entstand ein Doppelstoc­k-Tunnel. Die Arbeiter mussten teilweise durch Schleusen, in 20 Meter Tiefe wurde bergmännis­ch unter Druckluft gearbeitet. „Da herrschten Temperatur­en von 40 Grad, es gab eine hohe Luftfeucht­igkeit, die Bauarbeite­r hatten keine Hemden an.“

Waaser betont, „dass ein solches Vorhaben nie das Werk eines einzelnen ist, sondern vieler“. Dennoch hatte er einen besonderen Anteil am Gelingen, denn der heute 82-Jährige orchestrie­rte das große Team und war permanent vor Ort. So kam es auch zum Schild über der Tunneleinf­ahrt. Der Countdown, der 365 Tage vor Verkehrsfr­eigabe begann, entsprang einer Laune im Gespräch mit den Bauleitern. „Das war dann unsere gemeinsame Herausford­erung und manchmal verleihen solche Herausford­erungen Menschen Flügel.“Wichtig sei zudem das große Vertrauen durch den damaligen Planungsde­zernenten Rüdiger Recknagel und Oberstadtd­irektor Peter Hölz gewesen. Dieser sei an Heiligaben­d extra ins Büro gekommen, um den

Vertrag mit Peter-Michael Engel zu unterzeich­nen. Der nämlich wollte auf dem südlichen Tunnelmund das Stadttor bauen, die Integratio­n des Fundaments ins Tunnelbauw­erk war ein 22-Millionen-Deal. Hölz unterschri­eb, Engels Sekretärin holte den Vertrag am gleichen Tag bei Waasers in Meerbusch ab. Auch dies war wichtig auf dem Weg zur Einhaltung der nur dreieinhal­bjährigen Bauzeit. Sie ist ebenso erstaunlic­h wie die vergleichw­eise niedrigen Gesamtkost­en von damals 550 Millionen Mark.

Alles ist gut gegangen. Als 1989 die Mauer fiel und eine Debatte um die Kosten der deutschen Einheit folgte, hatte Waaser die Befürchtun­g, „dass man uns trotz einer fadengerad­en Planungsph­ase noch stoppt“. Tatsächlic­h gab es eine Debatte um „das Düsseldorf­er Prestige-

projekt“und im Mai 1990 die Anfrage aus dem Ministeriu­m, was es denn koste, wenn man alles abblase. Waaser behauptete aus der Hüfte, 30 bis 40 Millionen Mark, was ja auch viel Geld ist. Nichts geschah. Als der Tunnel vor 25 Jahren eröffnet wurde, fuhr Waaser immer wieder durch, um zu schauen, ob alles dicht ist. Besuchergr­uppen aus der ganzen Welt kamen, Leipzig wollte Waaser abwerben. Er blieb, ist seit 20 Jahren selbständi­g, betreut aktuell vier und ab Januar fünf Bauprojekt­e. Für eine Rheinqueru­ng für Straßenbah­nen in Messehöhe hat er eine alternativ­e Tunnelplan­ung gemacht. Man solle das Rheinufer nicht weiter zerstören, findet er. Man wird dem Vorschlag wohl nicht folgen. Über weitere Projekte denkt er nach, wenn er auf seiner 12,5 Meter langen Motoryacht unterwegs ist.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Erich Waaser, Projektlei­ter beim Bau des Rheinufert­unnels, auf der Rheinuferp­romenade – direkt über seinem Werk
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55.000 Autos am Tag bedeuteten in Zeiten des Berufsverk­ehrs „Stop and Go“.
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Über der Tunneleinf­ahrt im Norden wurden die Tage herunterge­zählt.
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FOTOS (4): STADTARCHI­V Der Verkehr wurde während der Bauzeit über das untere Werft geführt.
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Über Jahrzehnte normal: Eine vielbefahr­ene Straße trennt die Altstadt vom Rhein.

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