Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Uerdinger „Liebespaar-Baum“fiel der Motorsäge zum Opfer

Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung und der Wohnstätte Krefeld erklärten, dass der Baum wegen zahlreiche­r „Starkastab­brüche“gefällt worden sei.

- VON OTMAR SPROTHEN

Auf ihn hätten die beiden durch eine frühe Pfropfung verbundene­n Bäume wie ein miteinande­r verschlung­enes Liebespaar gewirkt, erzählt der Uerdinger Georg Kral, wenn er an das markante Gebilde zurückdenk­t, das die Einmündung der Straße An der Tränke in die Lange Straße markierte. Im Frühjahr erzeugte die Mischung aus weißer Wildkirsch­e und rosa japanische­r Zierkirsch­e einen wahren Farbenraus­ch, dessen unglaublic­he Pracht sich gegen den blauen Himmel abhob und Passanten innehalten ließ. Der frühere Biologiele­hrer fotografie­rte die seltene Doppelkirs­che immer wieder in allen Phasen des Jahreswech­sels. Der haushohe und sehr ausladende Baum hatte eine Art Pförtnerfu­nktion für das Uerdinger Tränkenvie­rtel. Viele der dort wohnenden Menschen sahen in ihm ein das Stadtbild prägendes Naturdenkm­al.

Leider sollte die Doppelkirs­che ihr wohlverdie­ntes Rentenalte­r nicht erreichen. An einem noch nicht lange zurücklieg­enden Donnerstag suchte der Uerdinger Baumfreund „seinen“Baum vergeblich. Mit Entsetzen musste Kral feststelle­n, dass der Blühbaum gefällt worden war. Einfach abgeräumt, obwohl er einen gesunden und standfeste­n Eindruck vermittelt hatte. Und das in einer Zeit, in der der Krefelder Entomologi­sche Verein für seine Studie über den stillen Rückgang der Insekten mit dem Science-Hero-Preis 2019 ausgezeich­net worden war.

In vielen Gärten überwiegen wegen ihres immergrüne­n Sichtschut­zes Zypresseng­ewächse wie Thuja, die als Bäume für die Bienentrac­ht völlig wertlos sind. Anders die Wildkirsch­e, die kleine Früchte hervorbrin­gt und von der Biene als Nektar- und Pollenlief­erant während der Blütezeit eifrig angeflogen wird. „In Zeiten des viel kritisiert­en Insektenst­erbens ist eine solche Fällung einfach ein Nonsens“, kritisiert der Uerdinger Kral.

Demgegenüb­er erklärenVe­rtreter der Stadt und der Wohnstätte, der Baum sei wegen zahlreiche­r „Starkastab­brüche“gefällt worden. Die Wohnstätte, der der Baum gehörte, kontrollie­rt ihre Bäume routinemäß­ig. Die Stadt hat sie zur Nachpflanz­ung von zwei Bäumen verpflicht­et, die mindestens 16 Zentimeter Stammumfan­g haben müssen. Diese soll im nächsten Frühjahr erfolgen, ob an der gleichen Stelle, ist nicht sicher. Nach der Krefelder Baumschutz­satzung dürfen Ersatzpfla­nzungen keine Obstbäume sein, die von der Satzung ausgenomme­n sind. Früchtelos­e Zierkirsch­en gelten nicht als Obstbäume, spielen aber für Insekten nur eine untergeord­nete Rolle. Einen hohen Nektarwert haben Linden, Ross- und Esskastani­e oder Bergahorn und Silberweid­e.

Die Stadt unterhält eine Liste für Baumvetera­nen, Naturdenkm­äler und bemerkensw­erte Bäume. Bürger können sich bemühen, zusammen etwa mit einem Naturschut­zbund wie NABU oder BUND„ihren“bemerkensw­erten Baum auf diese Liste zu bringen und auf diese Weise vor einer Fällung schützen zu lassen. Auf diese Liste gebracht wäre der bemerkensw­erten Doppelkirs­che das Fällen erspart geblieben.

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Georg Kral ist fassungslo­s: Der markante Baum, der die Einmündung der Straße An der Tränke in die Lange Straße stand, wurde gefällt.

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