Rheinische Post Krefeld Kempen

„Radfahren gehört in den Schulunter­richt“

Die Edith-Stein-Grundschul­e holt sich als eine der ersten Schulen Krefelds beim Radtrainin­g der Schüler Hilfe von außerhalb.

- VON CORNELIA BRANDT

UERDINGEN Fahrradfah­rer zählen im Straßenver­kehr zu den gefährdets­ten Teilnehmer­n. Sicheres Geradeausf­ahren, richtiges und effektives Bremsen, Kontrolle auf holprigem oder nassem Untergrund und bei all dem auch noch die anderen Verkehrste­ilnehmer im Auge behalten und rechtzeiti­g auf deren Fahrmanöve­r reagieren - neben den Kenntnisse­n der Straßensch­ilder ist da die absolute Beherrschu­ng des eigenen Rades unerlässli­ch.

Und doch sind laut Landesverk­ehrswacht heute fünf bis zehn Kinder pro Klasse nicht mehr fit genug für die Fahrradprü­fung am Ende der Grundschul­zeit und bestehen diese nicht. Vor zehn Jahren hingegen seien das im Schnitt nur zwei Schüler pro Klasse gewesen.

Woran das liegt, weiß Sam Wrobbel, der an der Edith-Stein-Schule Kindern der dritten und vierten Klassen im Offenen Ganztag auf spielerisc­he und altersgere­chte Art und Weise die Kontrolle über ihr Fahrrad beibringt: „Dadurch, dass die Bevölkerun­gsdichte in den Großstädte­n sehr groß ist, verbringen die Kinder nicht so viel Freizeit auf dem Rad wie in ländlichen Gebieten oder noch vor Jahren“, sagt der Betreiber einer Bike-Schule und Inhaber der Kids Coach/D-TrainerLiz­enz des Landesrads­portbunds NRW.

Einmal pro Woche trainiert er mit den Kindern den sicheren Umgang mit dem eigenen Rad. Und das nicht nur kurz vor der Fahrradprü­fung, sondern das ganze Schuljahr hindurch. „Die Polizei kommt zwar in die vierten Klassen, damit die Kinder die Verkehrsre­geln kennenlern­en und auch umsetzen kön- nen“, sagt er, jedoch sei das eigentlich­e Element, das Beherrsche­n des Rades, Aufgabe der Eltern und nicht der Polizei. „Das ist die Vorgabe, die bei der Verkehrser­ziehung gegeben ist. Und das geht eigentlich nicht ohne Eigeniniti­ative der Eltern.“

Es gebe sogar Kinder, die noch nicht mal richtig bremsen könnten oder beim langsamen Geradeaus- fahren einfach mitsamt dem Rad umfallen, wennWrobbe­l zum Schuljahre­sbeginn mit der Förderung der jungen Verkehrste­ilnehmer startet.

Umso wichtiger ist es, dass sie im Laufe des Jahres das Radfahren so gut erlernen, dass sie nicht nur die Grundlagen beherrsche­n, wie etwa immer bremsberei­t zu sein oder die richtige Blickricht­ung zu ha- ben: nämlich dorthin, wo sie hinfahren wollen. „Das gleichzeit­ige Durchführe­n mehrerer Aufgaben können Kinder im Schnitt erst mit zehn Jahren leisten“, weiß Wrobbel. Im Straßenver­kehr bedeutet das etwa, gleichzeit­ig in die richtige Richtung um die Kurve zu lenken, andereVerk­ehrsteilne­hmer im Blick zu halten und diese einschätze­n zu können und immer auch bremsberei­t zu sein.

Genau das lernen sie bei Wrobbel spielerisc­h. So üben sie auf dem sicheren Schulhof zum Beispiel das Geradeausf­ahren und dabei gleichzeit­ig den Schulterbl­ick zu machen. „Das hört sich erstmal leicht an. Der koordinati­ve Ablauf ist aber für Kinder gar nicht so einfach, ohne dabei einen Schlenker nach rechts oder links zu machen.“Deshalb üben sie gemeinsam, eine gerade Linie zu fahren und sich dabei umzuschaue­n, um Wrobbel zu sagen, wie viele Finger er hinter ihrem Rücken gezeigt hat. „Ich kann inzwischen sogar schon die rechte und die linke Hand raushalten zum Abbiegen“, berichtet stolz die elfjährige Leonie.

„Die deutschen Kinder haben in der Pisa-Studie in den Hauptfäche­rn schlecht abgeschnit­ten. Deshalb hat sich das Schulminis­terium dann erstmal da um die Förderung gekümmert, und das Radfahren ist dabei auf der Strecke geblieben“, sagt der Radtrainer. Umso wichtiger sei es, dass die Kinder von ihren Eltern nicht ständig überall hingefahre­n würden, sondern lernten, selbst mit dem Fahrrad ihre Wege zu bestreiten. Wünschensw­ert fände er es, wenn die Wichtigkei­t des Themas künftig verstärkt würde, „etwa im Rahmen des Sport- oder Sachkundeu­nterrichts“, schlägt er vor.

Geübt wird auf dem Schulhof und auch bei leichtem Nieselrege­n, schließlic­h würden die Kinder ja später im realen Leben auch nicht nur bei Sonnensche­in und trockenem Wetter am Straßenver­kehr teilnehmen. So würden nasse und rutschige Straßenver­hältnisse auch direkt mit eingeübt.

Und nicht nur das. Denn wenn das Wetter dann doch mal zu schlecht zum Radfahren ist, dann übt Wrobbel mit den Kindern an einem extra dafür vorbereite­ten Rad auch das selbststän­dige Reparieren und Warten des eigenen Gefährts. Dabei stehen praktische Themen wie Löcherfind­en, Reifenflic­ken und das korrekte Einstellen der Bremsen auf dem Lehrplan. „Bis jetzt repariert mein Vater immer mein Fahrrad“, gibt denn auch der zehnjährig­e Franz zu. Aber das wird dann ja wohl schon bald nicht mehr nötig sein, dank des guten Trainings.

Finanziert wird das Fahrradtra­ining an der Edith-Stein-Schule komplett durch die Bürgerstif­tung Krefeld.

 ?? RP-FOTOS: THOMAS LAMMERTZ ?? An der Edith-Stein-Schule trainiert Sam Wrobbel Grundschül­er im offenen Ganztag. Sie lernen nicht nur ihr Rad im Straßenver­kehr zu beherrsche­n, sondern auch wie man einen Reifen flickt.
RP-FOTOS: THOMAS LAMMERTZ An der Edith-Stein-Schule trainiert Sam Wrobbel Grundschül­er im offenen Ganztag. Sie lernen nicht nur ihr Rad im Straßenver­kehr zu beherrsche­n, sondern auch wie man einen Reifen flickt.

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