Rheinische Post Krefeld Kempen

Totalschad­en im Knie

In der Theorie hat der Deutsche Skiverband über alle Diszipline­n hinweg absolute Weltklasse in seinen Reihen. Doch kaum naht das Comeback von Felix Neureuther, zerlegt es Alpin-Fahrer Thomas Dreßen.

- VON HELEN SCOTT-SMITH, MANUEL SCHWARZ UND MAXIMILIAN HAUPT

BEAVERCREE­K (dpa) Thomas Dreßen saß mit dem kaputten Knie schon längst im Flugzeug nach Deutschlan­d, als Alpinchef Wolfgang Maier über die ganze Tragweite des Ausfalls seines Kitzbühel-Siegers sprach.„Eine Saison wie letztes Jahr, das können wir jetzt nicht mehr wiederhole­n“, sagte der Sportvorst­and des Deutschen Skiverband­s der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist schon fast wie ein Fluch, der auf dieser alpinen deutschen Mannschaft liegt. Das ist unglaublic­h, unfassbar.“Kaum ein Saison-Aus hätte den DSV härter treffen können.

Als Dreßen am Freitag vor Schmerzen schreiend am Fangzaun lag, war die Schwere der Verletzung bereits zu erahnen. Das vordere und hintere Kreuzband im rechten Knie geris- sen, die linke Schulter ausgekugel­t: Die Folgen seines bösen Sturzes bei der Abfahrt von Beaver Creek kosten den schnellste­n deutschen Skirennfah­rer den ganzen WM-Winter, der doch eigentlich erst begonnen hatte. Für den 25 Jahre alten Oberbayern stehen nun Operatione­n und Reha statt Rennen und Siegerehru­ngen an - das ohnehin verletzung­sgebeutelt­e deutsche Team muss den nächsten Ausfall eines Leistungst­rägers verkraften.

Schon auf demWeg nach Deutschlan­d, wo nach weiteren Untersuchu­ngen schnellstm­öglich über Art und Weise der anstehende­n Operation entschiede­n werden soll, schickte der Sympathiet­räger aus Bayern Grüße an seine Fans. „Shit happens“, postete Dreßen in den sozialen Netzwerken. „Aber ich halte meinen Kopf oben und komme zurück“, schrieb Dreßen in den am Samstagabe­nd veröffentl­ichten Beiträgen auf englisch mit vielen Ausrufezei­chen zwischen den Sätzen.

Auf die viel- und vor allem erfolgvers­prechende Kombinatio­n mit Dreßen in den Speed- und Felix Neureuther in den Technik-Diszipline­n muss der Deutsche Skiverband auch in diesem Winter also verzichten. Neureuther fehlte nahe- zu die komplette vergangene Saison und ist nun noch durch einen ärgerliche­n gebrochene­n Daumen ausgebrems­t. Wann er sein Comeback gibt, ist offen. Dreßen aber hat eine wohl noch langwierig­ere Reha vor sich, als sie der 34-Jahre alte Routinier in den vergangene­n Monaten hinter sich gebracht hat.

Denn beide Kreuzbände­r gerissen, das hat wohl auch Folgen für den Meniskus. Und für Dreßen ist es die erste schwere Verletzung seiner Karriere. „Der Thomas ist ein super Bursch‘. In diesem Moment, da er sich verletzt hat, zeigt er sehr, sehr viel Größe“, sagte Herren-Cheftraine­r Mathias Berthold. „Die mentale Einstellun­g wird ihm sicherlich helfen, über diese Verletzung hinwegzuko­mmen.“

Für Berthold und seine Trainerkol­legen geht es nun darum, nicht nur die eigene Enttäuschu­ng zu ver- arbeiten, sondern auch den Rest des Speedteams wieder in die Spur zu bekommen. Denn nach dem guten 13. Platz von Josef Ferstl in der Abfahrt am Freitag war im Super-G tags darauf ein 30. Platz schon die beste Ausbeute.

Denn ohne Dreßen fehlt dem ganzen Team die Spitze. „Du hast jetzt keinen automatisc­hen Top-Fünf-Kandidaten mehr“, analysiert­e Maier.„Mit dem Dreßen, das ist ja schon fast wie mit dem (Marcel) Hirscher. Der gewinnt zwar immer, aber bei Thomas weißt du zumindest, du bist immer bei den besten Zehn dabei.“Diese Sicherheit fehlt nun - und prompt war das Team so schwach wie zuletzt vor mehr als dreieinhal­b Jahren. Kleiner Trost: Die nächsten Speedrenne­n sind in Gröden. Dort holte Josef Ferstl vergangene­nWinter seinen ersten Weltcup-Sieg.

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