Rheinische Post Krefeld Kempen

Tatverdäch­tiger führt Polizei zur Leiche

Mit einem Großaufgeb­ot haben Einsatzkrä­fte in Sankt Augustin nach einer vermissten 17-Jährigen gesucht – und in einer Asylbewerb­er-Unterkunft ihre Leiche gefunden. Ein 19-Jähriger hat gestanden, die Jugendlich­e im Streit getötet zu haben.

- VON HANNAH SCHMITT UND MARCEL DÖRSING

SANKTAUGUS­TIN Still, fast verlassen wirkt der Ort am äußersten Rande des Industrieg­ebiets in Menden, einem Stadtteil von Sankt Augustin. Es ist fast Mittag, aber die Rollläden der Zimmer im Erdgeschos­s der städtische­n Unterkunft für Asylbewerb­er und Obdachlose sind an diesem Montag herunterge­lassen. Ein paar Blumen und Kerzen, die Unbekannte an einem Metallzaun davor hinterlass­en haben, sind sichtbarer Hinweis darauf, dass sich kurze Zeit zuvor im Inneren der Unterkunft offenbar ein grausames Verbrechen ereignet hat.

Nach groß angelegter Suche am Sonntag fand die Polizei in einem Zimmer die Leiche einer jungen Frau. Nach ersten Erkenntnis­sen der Ermittler wurde die 17-Jährige, die aus Unkel stammt und im Rhein-Sieg-Kreis eine Schule besuchte, getötet. Vor Ort nahmen die Beamten einen 19-jährigen Bewohner der Unterkunft fest. Laut Polizei handelt es sich bei dem Mann um einen gebürtigen Kenianer mit deutschem Pass, der als Obdachlose­r in der Unterkunft wohnte. Noch am Montag gestand der Mann, die 17-Jährige getötet zu haben. Der zuständige Haftrichte­r erließ in den Nachmittag­sstunden gegen den 19-Jährigen Haftbefehl wegen Totschlags. Zuvor beantragte die Staatsanwa­ltschaft Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen Bewegeggrü­nden, teilte der Bonner Oberstaats­anwalt Robin Faßbender mit.

Mit einem Großaufgeb­ot suchten Einsatzkrä­fte in der Region am Sonntag nach der 17-Jährigen. Ihre Eltern hatten die Teenagerin am Freitagmit­tag als vermisst gemeldet. Recherchen der Polizei grenzten das Suchgebiet nach der 17-Jährigen rasch auf den Raum Siegburg und Sankt Augustin ein, wie Polizeispr­echer Robert Scholten berichtete. Gegen 17 Uhr am frühen Sonntagabe­nd wurden die Einsatzkrä­fte nach Meindorf gerufen. Dort hatten Spaziergän­ger Kleidung sowie eine Handtasche der Jugendlich­en am sogenannte­n Sieglarer See gefunden. Gegen 20.15 Uhr brach die Freiwillig­e Feuerwehr die Suche nach Rücksprach­e mit der Polizei schließlic­h ab. Der Grund: Zu diesem Zeitpunkt hatten die Beamten das Mädchen bereits in der kommunalen Unterkunft aufgefunde­n.

„Wir haben zusammen mit der Polizei in Rheinland-Pfalz den 19-Jährigen als möglichen Kontaktpun­kt der Vermissten ermittelt“, sagte Polizeispr­echer Scholten. Als der Verdächtig­e in den Abendstund­en zu seiner Unterkunft zurückkam, habe er den Beamten, die bereits auf ihn warteten, gesagt, dass sich die junge Frau tot in seinem Zimmer befinde, so der Sprecher der Bonner Polizei weiter. Bereits in seiner ersten Vernehmung habe sich der Verdächtig­e eingelasse­n und dabei die Tat nicht abgestritt­en, so Scholten. Die Ermittlung­en und Spurenausw­ertung zum Hergang und Ablauf der Tat dauerten aber an. Neben anderen Fragen war am Montag etwa noch unklar, wie die persönlich­en Gegenständ­e der Getöteten an den Weiher in Meindorf gelangen konnten.

Wie die Staatsanwa­ltschaft weiter mitteilte, sagte der 19-Jährige in der weiteren Befragung aus, sein mutmaßlich­es Opfer am Freitagabe­nd kennengele­rnt zu haben. Sie seien zusammen in einer Kneipe gewesen. Später habe die 17-Jährige ihn in die städtische Unterkunft für Flüchtling­e und Obdachlose in Sankt Augustin begleitet, in der er wohnte. Dort sei es in der Nacht zu Samstag zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf der Mann gewalttäti­g geworden sei. Die 17-Jährige starb. Genauere Angaben zu den Tatumständ­en wollte Faßbender nicht machen, es sei aber keineWaffe benutzt worden. Die Angaben des 19-Jährigen wer- den nun von Polizei und Staatsanwa­ltschaft überprüft.

Der 19-Jährige soll zuvor bereits mehrfach polizeilic­h in Erscheinun­g getreten sein. Demnach ermittelte­n die Beamten 2014 erstmals gegen den Mann wegen Verbreitun­g pornografi­scher Schriften. Es folgten Ermittlung­en wegen Diebstahls, im Oktober 2015 sogar wegen sexuellen Missbrauch­s. Dass der Mann, dem nun die Tötung der 17-Jährigen zur Last gelegt wird, bereits polizeibek­annt war, bestätigte die Staatsanwa­ltschaft mitVerweis auf die andauernde­n Ermittlung­en zunächst nicht. Auch hätten sich bisher keine Hinweise auf ein Sexualverb­rechen ergeben.

Der 19-jährige Tatverdäch­tige, der sowohl die kenianisch­e als auch die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt, zählt als Bewohner der Mendener Unterkunft zur Kategorie der Wohnungslo­sen, wie Oberstaats­anwalt Faßbender sagte. „Er ist nicht in Deutschlan­d geboren, lebt hier aber seit seiner frühesten Kindheit“, sagte Faßbender.

Die Unterkunft in Menden hat die Stadt 2016 errichten lassen. In den drei Wohngebäud­en mit Platz für 150 Menschen sind laut Stadtspre- cherin Eva Stocksiefe­n derzeit 39 Obdachlose und Flüchtling­e untergebra­cht. Einen Sicherheit­sdienst gebe es dort nicht, wie auch in keiner anderen städtische­n Unterbring­ungseinric­htung, so Stocksiefe­n.

Die Stadt hat im Laufe des Montags Kontakt zu den anderen Bewohnern in der Unterkunft aufgenomme­n. Sie seien gefragt worden, ob sie woanders untergebra­cht werden möchten, sagte die Stadtsprec­herin. „Sie möchten aber eigentlich alle da bleiben.“Darüber hinaus wolle die Stadt nun erst einmal abwarten, was tatsächlic­h passiert ist, bevor sie über Konsequenz­en nachdenke. Dazu, wie lange der 19-Jährige in der Unterkunft gelebt hat, macht die Stadtsprec­herin keine Angaben.

Ein Bewohner trat am Montagmitt­ag dann doch noch in den Regen, um sich zu Fuß auf seinen Weg durch das Gewerbegeb­iet zu mache. Auch er sei in der Nacht von der Polizei bereits befragt worden. Von der Tat habe er nichts bekommen und den 19-Jährigen kaum gekannt, sagte der Mann. Seinen Namen wollte er nicht nennen.„Wir alle sind schockiert über das, was passiert ist. Wir sind unfassbar traurig“, so der Bewohner.

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FOTO: REUTERS/WOLFGANG RATTAY In dieser städtische­n Unterkunft für Asylbewerb­er und Obdachlose in Sankt Augsutin wurde die Leiche der 17-Jährigen gefunden.

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