Rheinische Post Krefeld Kempen

Vom Reden in die Traufe

Die Klimakonfe­renz in Kattowitz hat immense Probleme zu bewältigen. Entwicklun­gsminister Gerd Müller fordert Taten.

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KATTOWITZ (dpa) Mit einem dramatisch­en Appell zum Kampf gegen die Erderhitzu­ng hat UN-Generalsek­retär António Guterres die Weltklimak­onferenz in Polen offiziell eröffnet. Schon jetzt sei der Klimawande­l für viele Menschen und auch ganze Staaten eine „Frage von Leben und Tod“, sagte er am Montag in Kattowitz (Katowice) vor Vertretern von knapp 200 Staaten, die dort zwei Wochen lang verhandeln. Es gehe darum, ein „globales Klima-Chaos“abzuwenden. Wenn die Staatengem­einschaft versage, würden Arktis und Antarktis weiter schmelzen, die Korallen sterben, die Meeresspie­gel steigen sowie mehr Menschen an Luftversch­mutzung sterben und an Wasserknap­pheit leiden – bei explodiere­nden Kosten. „Wir brauchen mehr Taten und mehr Ehrgeiz“, mahnte er.

Drei Jahre nach den als historisch eingestuft­en Beschlüsse­n der Pariser Klimakonfe­renz sollen in Kattowitz klare Regeln zur Umsetzung vereinbart werden: Die Beiträge einzelner Staaten zum Klimaschut­z und auch die Finanzhilf­en sollen für alle nachvollzi­ehbar werden. In Paris war beschlosse­n worden, die Erderwärmu­ng auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad – verglichen zur vorin- dustrielle­n Zeit um 1750. Die bisher weltweit zugesagten Maßnahmen zur Reduzierun­g klimaschäd­licher Treibhausg­ase reichen dazu aber bei weitem nicht aus. Die Verbrennun­g von Kohle, Öl und Gas, bei der Kohlendiox­id frei wird, müsste schnell drastisch sinken, mahnt der Weltklimar­at.

Polens Staatspräs­ident Andrzej Duda stimmte die Teilnehmer auf schwierige Verhandlun­gen ein. Die Welt stehe vor einem „historisch­en Test“, sagte er. Das Gastgeberl­and Polen sei bereit, seinen Teil beizutrage­n. Allerdings gilt Polen, das knapp 80 Prozent seines Stroms aus Kohle bezieht, bei Umweltschü­tzern bisher als Klimasünde­r.

Bei der Eröffnungs­zeremonie waren viele Staats- und Regierungs­chefs zu Gast. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ sich von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) und Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) vertreten.

Müller nannte den Kampf gegen die Erderhitzu­ng eine Überlebens­frage der Menschheit. „Kattowitz muss die Trendwende sein, vom Reden zum Handeln zu kommen“, sagte der CSU-Politiker. Die Emissionen von Treibhausg­asen seien auf einem Rekordhoch und stiegen wei- ter. Es sei zu wenig passiert seit der Konferenz in Paris. Die dort vereinbart­en Etappenzie­le erfüllten zurzeit nur 17 Staaten. Auch Deutschlan­d verfehle sein selbstgest­ecktes Ziel, 2020 mindestens 40 Prozent weniger Treibhausg­ase auszustoße­n als 1990.

Müller erinnerte zugleich an Deutschlan­ds jüngste Ankündigun­g, seinen Beitrag zum Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen ab 2019 auf 1,5 Milliarden Euro zu verdoppeln. In den wichtigste­n UN-Klimatopf zahlen wohlhabend­ere Länder ein, finanziert werden Klimaschut­zprojekte in Schwellen- und Entwicklun­gsländern. Dies solle „Signal und Anstoß“sein für andere Staaten, diesen Schritt mitzugehen, sagte Müller.

Umweltschü­tzer sprachen von einem „Ablasshand­el“, mit dem sich Deutschlan­d freikaufen wolle. „Es reicht nicht, den Geldbeutel zu zücken, wenn man zu Hause seine Klimaziele krachend verfehlt“, erklärte Christiane Averbeck von der Klima-Allianz.

Guterres erinnerte daran, dass die Zeit für endloseVer­handlungen fehle. Die Konzentrat­ion von Kohlendiox­id in der Atmosphäre sei so hoch wie seit drei Millionen Jahren nicht. „Trotzdem steigen die Emissionen weiter an.“Nach neuesten Berechnung­en müsse der Ausstoß von Kohlendiox­id aber bis 2030 um 45 Prozent sinken im Vergleich zu 2010, und schon 2050 netto null erreichen.

Warnend verwies er darauf, dass der Treibhause­ffekt längst im Gang ist. Nach Berechnung­en der Weltwetter­organisati­on hätten die 20 wärmsten je gemessenen Jahre in den vergangene­n 22 Jahren gelegen. Die Welt stecke wegen des Klimawande­ls in großen Schwierigk­eiten, die Dringlichk­eit der Situation könne kaum überschätz­t werden.

Die USA haben sich als einer der größtenVer­ursacher von Treibhaus- gasen aus dem Pariser Abkommen zurückgezo­gen. Beim G20-Gipfel in Buenos Aires stand US-Präsident Donald Trump damit am Wochenende weiter isoliert da – alle anderen Teilnehmer betonten aber, das Klimaabkom­men sei unumkehrba­r.

Bundesumwe­ltminister­in Schulze sagte, die massiven Proteste der „Gelben Westen“in Frankreich unter anderem gegen höhere Spritpreis­e zeigten, dass beim Klimaschut­z die soziale Frage von Anfang an mitgedacht werden müsse. Dies versuche Deutschlan­d mit der Kommission zum Kohleausst­ieg und zum Strukturwa­ndel zu schaffen. Klimapolit­ik müsse so gemacht werden, dass die Menschen mitgenomme­n werden. Schulze und Müller waren – anders als ursprüngli­ch geplant – ohne eine Einigung der Kommission auf ein Ausstiegsd­atum für die Kohleverst­romung nach Kattowitz gereist.

Die Weltbank kündigte an, den Kampf gegen den Klimawande­l mit doppelt so hohen Investitio­nen wie bisher zu unterstütz­en. Von 2021 bis 2025 sollen 177 Milliarden Euro fließen, um vor allem den ärmsten Ländern der Welt zu helfen, wie die Entwicklun­gsbank mitteilte. Das sei doppelt so viel wie in der laufenden fünfjährig­en Finanzieru­ngsperiode.

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FOTO: DPA UN-Generalsek­retär Antonio Guterres in Kattowitz.

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