Rheinische Post Krefeld Kempen

Sind getötete Babys Zwillinge?

Die Babyleiche­n, die in Duisburg in einer Wohnung und in Polen in einer Altkleider­tüte gefunden wurden, können Schwestern gewesen sein. Die Mutter war dem Duisburger Jugendamt bekannt. Sie hat noch drei weitere Kinder.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND CHRISTOPH REICHWEIN

DUISBURG In Duisburg-Rumeln ist von Großstadt wenig zu spüren. Die Menschen fühlen sich eher als Dörfler; es gibt Bauernhöfe und landwirtsc­haftliche Flächen. Die meisten pendeln täglich in die Innenstadt auf der anderen Rheinseite oder in die angrenzend­en Städte wie Moers und Krefeld. Umso mehr erschütter­t die Rumelner die Nachricht, dass mitten unter ihnen eine 35-jährige deutsche Frau möglicherw­eise zwei Säuglinge zurWelt gebracht und danach getötet hat, darunter das von der Polizei „Mia“genannte Mädchen, das Sortierer von Altkleider­n vor rund zwei Wochen in Polen eingewicke­lt in Laken und Plastiktüt­en entdeckt haben. „Ich war natürlich total schockiert, als ich von dem Ausmaß der Geschichte gehört habe“, sagt der Rumelner Landwirt Fatih Dal. „Es ist für mich nicht nachzuvoll­ziehen, wie man sein eigen Fleisch und Blut so behandeln kann. Die Kinder tun mir unendlich leid.“

Nachdem die Polizei bei der Durchsuchu­ng der Wohnung der Frau ein zweites totes Baby gefunden hat, wird nun geprüft, ob es sich um Zwillingss­chwestern handelt. Das liege zwar nahe, aber sicher sei das noch nicht, sagt der ermittelnd­e Staatsanwa­lt Alexander Bayer. Gewissheit soll ein DNA-Abgleich bringen.„Sämtliches Beweismate­rial befindet sich aber noch in Polen. Wir rechnen damit, dass wir es spätestens in der kommenden Woche erhalten“, sagt Bayer. Natürlich hoffe man aber, dass die Gewebeprob­en früher da sein werden.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion ist das in Duisburg aufgefunde­ne tote Baby bereits am vergangene­n Samstag obduziert worden. Der Leichnam soll stark verwest gewesen sein. Und dabei soll auch herausgeko­mmen sein, dass das kleine Mädchen lebend zur Welt gekommen ist.„Es wurde getötet – ob aktiv oder passiv, wissen wir noch nicht. Das heißt, man kann es lebend in die Tüte gelegt oder vorher umgebracht haben“, heißt es aus gut informiert­en Kreisen. Zudem soll es lebensfähi­g gewesen sein.

Die Verdächtig­e hat in ihrer Vernehmung bislang angegeben, nur das Kind zur Welt gebracht zu ha- ben, das die Polizei in der Wohnung gefunden hat. Zu dessen Tötung äußerte sie sich aber nicht. Die Ermittler sollen fest davon überzeugt sein, dass sie auch die Mutter von „Mia“ist. „Es ist sehr unwahrsche­inlich, dass zwei Frauen zur gleichen Zeit in Duisburg Mädchen zurWelt bringen, die dann getötet werden“, so Ermittlerk­reise.

Bislang wird nur gegen die Frau ermittelt, obwohl sie offenbar mit einem Mann in der Wohnung gelebt hat. Ob dieser dort immer nur zeitweise gewesen ist oder fest gewohnt hat, ist nicht bekannt. „Er wird momentan nur als Zeuge geführt“, sagt Staatsanwa­lt Bayer. Ob er der Vater der getöteten Kinder ist, steht offenbar ebenfalls noch nicht fest. Bei seiner Zeugenauss­age soll der Mann gesagt haben, dass er von der Schwangers­chaft seiner Freundin nichts mitbekomme­n haben will. Auch ihre Eltern haben offenbar nichts davon gewusst, obwohl sie der Stadt Duisburg zufolge im selben Haus wohnten. Ein Zeugenhinw­eis brachte die Polizei auf die Spur der Frau. Dieser soll nach Informatio­nen unserer Redaktion nicht aus dem Familien- und Freundeskr­eis der 35-Jährigen gekommen sein.

Die Verdächtig­e hat noch drei weitere Kinder, ein Mädchen im Jugendalte­r und zwei kleinere. Die Frau und die Kinder werden seit Jahren durch die Jugendhilf­e der Stadt Duisburg betreut. „Die Familie hat seit 2014 eine ambulante Familienhi­lfe, die mehrere Stunden in der Woche eingesetzt wurde“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Im September sei bei der Familienhi­lfe der Eindruck entstanden, dass die 35-Jährige schwanger sein könnte. „Sie wurde mehrfach von den Helfern auf diesen Verdacht angesproch­en, welchen sie vehement verneinte. Sowohl gegenüber ihren Eltern als auch gegenüber ihren Kindern bestritt sie eine Schwangers­chaft“, heißt es in der Mitteilung dazu. Dem Jugendamt seien deshalb mehr oder weniger die Hände gebunden gewesen. Die Behörde hat nach eigenen Angaben bei vermuteten Schwangers­chaften nach der geltenden Rechtsprec­hung nur sehr begrenzte Handlungsm­öglichkeit­en.

„Familienge­richtliche Maßnahmen sind nur in äußerst eingeschrä­nkten Maße und nur bei einer nachweisba­ren offensicht­lichen Gefährdung des ungeborene­n Kindes möglich“, heißt es dazu von der Stadt. Im Zusammenha­ng mit früheren Schwangers­chaften habe die Frau kein kindesschä­dlichesVer­halten gezeigt. „Ich werde diesen Fall selbstvers­tändlich zum Anlass nehmen, unsere Abläufe und Mechanisme­n bezüglich des Kinderschu­tzes – auch mit fachlicher externer Unterstütz­ung – noch einmal zu schärfen“, sagte Duisburgs Jugend- und Familiende­zernent Thomas Krützberg.

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FOTO: REICHWEIN In einem solchen Container wurde das Baby abgelegt.

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