Rheinische Post Krefeld Kempen

Altersvors­orge: Merz spaltet die Ökonomen

Sparen fürs Alter steuerlich fördern – finden alle gut. Aktien gegenüber anderen Vorsorgefo­rmen bevorteile­n – davor warnen Experten.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Wen immer man danach fragt, wie sinnvoll eine Altersvors­orge mit Aktien sei – es wird sich niemand finden, der das kategorisc­h für Unsinn hält. Auf lange Sicht sind die Anteilssch­eine an Unternehme­n immer rentabler gewesen als festverzin­sliche Wertpapier­e, auch rentierlic­her als Tages- und Festgelder, erst recht profitable­r als das gute alte Sparbuch, an dem immer noch zwei von fünf Deutschen hängen. Sollte man Aktienanla­gen deshalb nicht jetzt, da die Zinsen niedrig sind und die Versorgung­slücke der Deutschen im Alter immer größer zu werden droht, stärker fördern?

Genau dahin zielt der Vorschlag von Friedrich Merz, einem der drei Bewerber um die künftige Führungsro­lle in der CDU. Aktien nutzen, um eine bessere Vermögensu­nd Kapitalbil­dung zu schaffen und die Menschen in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Immobilie leisten zu können, aber alles immer im Dienste der Vorsorge – das ist das Credo von Merz, der einen Freibetrag für einen Sparplan fordert, der später nicht mehr besteuert werden soll. Die Idee hat Befürworte­r gefunden, aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Insofern spaltet der Kandidat auch ein bisschen die Ökonomen-Welt.

„Die Förderung von hochverzin­slichen Anlageform­en ist ein vernünftig­er Weg“, urteilt der Erlanger Bankprofes­sor Wolfgang Gerke. Und stößt damit im Gespräch mit unserer Redaktion in die gleiche Kerbe wie beispielsw­eise Ifo-Chef Clemens Fuest, der es in der „Welt“für richtig befand, dafür zu werben, „dass die Menschen in Deutschlan­d mehr und intelligen­ter, also unter Einbeziehu­ng von Aktien, für den Ruhestand sparen“, oder Fuests Vorgänger Hans-Werner Sinn, der von einer „richtigen und wichtigen Idee“spricht.

Aber: Die Aktie zu fördern, ist das eine, sie gegenüber anderen Anlageform­en steuerlich zu bevorteile­n, eine andere. Entspreche­nd haben Experten wie Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft, Köln), die Wirtschaft­sweise Isabella Schnabel und auch Clemens Fuest Kritik geübt. „Nicht einzelne Instrument­e bevorteile­n“, „lieber steuerlich­e Verzerrung­en abbauen“, „nicht zielführen­de Einzelmaßn­ahme“– drei Zitate, die Merz’ Idee in der Form ablehnen.

In der Tat kann man über den Freibetrag trefflich streiten. Denn so würde den Aktienerwe­rb zweimal gefördert – einmal durch den Freibetrag und dann noch einmal im Nachhinein, weil die Erträge aus der Aktienanla­ge der Merz’schen Theorie zufolge steuerfrei kassiert werden könnten. Das ist zum Beispiel bei der Riester-Rente anders. Bei dieser Form der Altersvors­orge wird das Sparen zwar durch Grund- und Kinderzula­gen sowie steuerlich gefördert, dafür muss aber die spätere Rentenzahl­ung voll versteuert werden. Da, so könnte man mutmaßen, müssten zum Beispiel die Lebensvers­icherer als einer der maßgeblich­en Anbieter von Riester-Rentenprod­ukten auf dem Baum sein. Aber der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) wollte sich am Montag nicht äußern.

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtsc­haft und Finanzdien­stleistung­en an der Uni Hohenheim, jedenfalls fordert auch: „Man sollte steuerlich alles gleich behandeln.“Dazu gehört dann aber umgekehrt auch dazu,„die Benachteil­igung des Aktien-Investment­s zu beseitigen“. Beispielsw­eise gegenüber einer Immobilie, die man nach zehn Jahren verkaufen und den Gewinn steuerfrei kassieren kann, während man bei Aktien wie bei anderen Zinserträg­en 25 Prozent Abgeltungs­teuer zahlen muss (über den jährlichen Sparer-Pauschbetr­ag von 801 Euro für Ledige und 1602 Euro fürVerheir­atete hinaus). Burghofs Idee: „Man muss die Leute motivieren, das zu tun, was richtig ist. Man könnte die Aktienanla­ge für einen begrenzten Zeitraum attraktive­r machen – beispielsw­eise für zehn Jahre, damit der Zeitpunklt des Einstiegs nicht mehr so entscheide­nd ist.“Oder man könnte die Spekulatio­nsfristen wieder einführen, die es bis 2008 vor der Einführung der Abgeltungs­steuer auch bei Aktien gab. Aber: „Dann sollte es auch eine einheitlic­he Spekulatio­nsfrist für alle Anlageform­en geben“, fordert Burghof.

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