Rheinische Post Krefeld Kempen
Altersvorsorge: Merz spaltet die Ökonomen
Sparen fürs Alter steuerlich fördern – finden alle gut. Aktien gegenüber anderen Vorsorgeformen bevorteilen – davor warnen Experten.
DÜSSELDORF Wen immer man danach fragt, wie sinnvoll eine Altersvorsorge mit Aktien sei – es wird sich niemand finden, der das kategorisch für Unsinn hält. Auf lange Sicht sind die Anteilsscheine an Unternehmen immer rentabler gewesen als festverzinsliche Wertpapiere, auch rentierlicher als Tages- und Festgelder, erst recht profitabler als das gute alte Sparbuch, an dem immer noch zwei von fünf Deutschen hängen. Sollte man Aktienanlagen deshalb nicht jetzt, da die Zinsen niedrig sind und die Versorgungslücke der Deutschen im Alter immer größer zu werden droht, stärker fördern?
Genau dahin zielt der Vorschlag von Friedrich Merz, einem der drei Bewerber um die künftige Führungsrolle in der CDU. Aktien nutzen, um eine bessere Vermögensund Kapitalbildung zu schaffen und die Menschen in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Immobilie leisten zu können, aber alles immer im Dienste der Vorsorge – das ist das Credo von Merz, der einen Freibetrag für einen Sparplan fordert, der später nicht mehr besteuert werden soll. Die Idee hat Befürworter gefunden, aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Insofern spaltet der Kandidat auch ein bisschen die Ökonomen-Welt.
„Die Förderung von hochverzinslichen Anlageformen ist ein vernünftiger Weg“, urteilt der Erlanger Bankprofessor Wolfgang Gerke. Und stößt damit im Gespräch mit unserer Redaktion in die gleiche Kerbe wie beispielsweise Ifo-Chef Clemens Fuest, der es in der „Welt“für richtig befand, dafür zu werben, „dass die Menschen in Deutschland mehr und intelligenter, also unter Einbeziehung von Aktien, für den Ruhestand sparen“, oder Fuests Vorgänger Hans-Werner Sinn, der von einer „richtigen und wichtigen Idee“spricht.
Aber: Die Aktie zu fördern, ist das eine, sie gegenüber anderen Anlageformen steuerlich zu bevorteilen, eine andere. Entsprechend haben Experten wie Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft, Köln), die Wirtschaftsweise Isabella Schnabel und auch Clemens Fuest Kritik geübt. „Nicht einzelne Instrumente bevorteilen“, „lieber steuerliche Verzerrungen abbauen“, „nicht zielführende Einzelmaßnahme“– drei Zitate, die Merz’ Idee in der Form ablehnen.
In der Tat kann man über den Freibetrag trefflich streiten. Denn so würde den Aktienerwerb zweimal gefördert – einmal durch den Freibetrag und dann noch einmal im Nachhinein, weil die Erträge aus der Aktienanlage der Merz’schen Theorie zufolge steuerfrei kassiert werden könnten. Das ist zum Beispiel bei der Riester-Rente anders. Bei dieser Form der Altersvorsorge wird das Sparen zwar durch Grund- und Kinderzulagen sowie steuerlich gefördert, dafür muss aber die spätere Rentenzahlung voll versteuert werden. Da, so könnte man mutmaßen, müssten zum Beispiel die Lebensversicherer als einer der maßgeblichen Anbieter von Riester-Rentenprodukten auf dem Baum sein. Aber der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wollte sich am Montag nicht äußern.
Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, jedenfalls fordert auch: „Man sollte steuerlich alles gleich behandeln.“Dazu gehört dann aber umgekehrt auch dazu,„die Benachteiligung des Aktien-Investments zu beseitigen“. Beispielsweise gegenüber einer Immobilie, die man nach zehn Jahren verkaufen und den Gewinn steuerfrei kassieren kann, während man bei Aktien wie bei anderen Zinserträgen 25 Prozent Abgeltungsteuer zahlen muss (über den jährlichen Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro für Ledige und 1602 Euro fürVerheiratete hinaus). Burghofs Idee: „Man muss die Leute motivieren, das zu tun, was richtig ist. Man könnte die Aktienanlage für einen begrenzten Zeitraum attraktiver machen – beispielsweise für zehn Jahre, damit der Zeitpunklt des Einstiegs nicht mehr so entscheidend ist.“Oder man könnte die Spekulationsfristen wieder einführen, die es bis 2008 vor der Einführung der Abgeltungssteuer auch bei Aktien gab. Aber: „Dann sollte es auch eine einheitliche Spekulationsfrist für alle Anlageformen geben“, fordert Burghof.