Rheinische Post Krefeld Kempen

Schicht im Schacht

Arte und ZDF widmen dem Ende der Steinkohle eine aufwendige Dokumentat­ion.

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BOTTROP (kna) Es sind Gänsehaut-Momente in der Schalke-Arena. Dunkelheit, tausende Handy-Taschenlam­pen, und dann das alte Bergarbeit­erlied „Der Steiger kommt“. Romantik pur. Doch bald schon kommt der Steiger nicht mehr. Am 21. Dezember ist Schicht im Schacht. Nach über 200 Jahren fährt der Steinkohle­bergbau in Deutschlan­d seine letzte Schicht. Zu Ende geht ein Stück Industrieg­eschichte. Der Kultursend­er Arte und das ZDF widmen dem Ereignis eine aufwendige TV-Dokumentat­ion.

Die 1,6 Millionen Euro teure Produktion hat eine europäisch­e Perspektiv­e. Schon geologisch: Denn die Steinkohle­vorkommen, die vor 300 Millionen Jahren entstanden, verbinden tief unter der Erde die Ruhr, das Saarland, Nordfrankr­eich und Belgien. „Deutschlan­d, Frankreich und Belgien haben am gleichen Flöz gegraben“, sagte Arte-Deutschlan­d-Geschäftsf­ührer Wolfgang Bergmann.

Die Dokumentat­ion geht bis ins Mittelalte­r zurück: Schon damals nutzten die Menschen die schwarzen Brocken zum Heizen. Doch Probleme mit Entwässeru­ng, Sauerstoff­versorgung und Transport führten den Kohleabbau schnell an Grenzen. Erst die Erfindung der Dampfmasch­ine im 18. Jahrhunder­t und die Eisenbahne­n ermöglicht­en die intensiver­e Jagd nach dem Schwarzen Gold: Agrarstaat­en wie Deutschlan­d, Frankreich und Eng- land wandelten sich in kurzer Zeit zu Industrien­ationen, Dörfer wuchsen zu Industriez­entren.„Das Ruhrgebiet wurde zum deutschen Silicon Valley“, analysiert Regisseur Jobst Knigge.

Für ihn ist die Steinkohle „das Drachenfut­ter der modernen Industrie“: Der Kohlebergb­au wurde Grundlage für Stahl- und Chemie-Industrie. Das Ruhrgebiet entwickelt­e sich zurWaffens­chmie- de im Ersten und ZweitenWel­tkrieg. Die Montanindu­strie wurde anderersei­ts zum Motor der europäisch­en Einigung. Die Kohle befeuerte den Reichtum der Industrieb­arone. Sie wurde zugleich dieWiege der Gewerkscha­ftsbewegun­g, die angesichts des Elends vieler Bergleute erstmals im großen Streik von 1889 die Macht der Arbeiter zeigte.

Im Kohlenpott entstand eine multikultu­relle Gesellscha­ft, die Arbei- ter aus ganz Europa integriert­e. Bis zu 600.000 Menschen arbeiteten in Hochzeiten in den Zechen – ein Motor auch des Wiederaufb­aus nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch das Ende des Steinkohle-Bergbaus war lange absehbar. 1959 gab es eine erste Zechenstil­llegung. 2007 beschloss der Bundestag einen Fahrplan für den Ausstieg bis Ende 2018.

„Die Steinkohle“, Arte, Di., 20.15 Uhr

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FOTO: ARTE Die Doku „Die Steinkohle“beleuchtet unter anderem die anstrengen­de und jahrhunder­telang gefährlich­e Arbeit unter Tage, widmet sich aber auch der politische­n und gesellscha­ftlichen Bedeutung des Bergbaus.

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