Rheinische Post Krefeld Kempen

Abgestempe­lt?

Michael Dreier und Christian Schlachetz­ki sind leidenscha­ftliche Briefmarke­nsammler. Deren Zahl geht in Düsseldorf zwar insgesamt zurück – doch die beiden tauschen weiter und halten den Verein am Leben.

- VON NICOLE KAMPE

FRIEDRICHS­TADT Tageslicht gibt es nicht in dem Raum, an der Decke flackern grelle Neonröhren, die ab und an ein leises Zischen von sich geben. Nach staubigem Papier riecht es dort, ein bisschen wie in einer alten Bibliothek, frische Luft kommt selten rein, nur wenn man lang genug die Tür auflässt. Tischreihe­n stehen ordentlich im Zimmer, die Stühle weit drunterges­choben. Schränke säumen die Wände, an den Säulen mittendrin hängen alte Postsäcke, aus demVatikan oder aus China, in einer Ecke türmen sich Kisten voller Alben.

Dieser Ort befindet sich in einem Keller irgendwo auf der Grenze zwischen Friedrichs­tadt und Unterbilk, ein bisschen düster wirkt er und auch geheimnisv­oll, und so manches Geheimnis birgt er auch. Der Raum gehört den Briefmarke­nfreunden Düsseldorf, die an der Bachstraße beheimatet sind, die nicht oft kommen, „vielleicht alle 14 Tage, in den Ferien und an den Feiertagen sind wir nicht hier“, sagt Michael Dreier aus dem Vorstand. Interessen­ten sollen es besser nicht an der Adresse versuchen, „sie können uns anrufen“, sagt er, oder auf die Internetse­ite gehen.

1955 wurde der Verein gegründet, am 24. Oktober, in der Gaststätte Katzbachqu­elle in Lierenfeld. „17 Leute waren es damals“, erzählt Dreier, in Hochzeiten sollen 130 Erwachsene und bis zu 100 Jugendlich­e dem Düsseldorf­er Verein angehört haben. Vor 40 Jahren schließlic­h zogen die Philatelis­ten an die Bachstraße, wo heute zwar noch getauscht wird, wo aber nur noch ein paar Dutzend Menschen zusammenko­mmen. „Kinder und Jugendlich­e haben wir keine mehr bei uns“, sagt der Vorsitzend­e Christian Schlachetz­ki ein bisschen wehmütig, der sich wünscht, dass das Hobby wieder mehr Menschen erreicht, mehr anspricht, sich mehr dafür begeistern können. „So geht es aber nicht nur uns“, meint der Vorsitzend­e. Brauchtum, Kirchen, Chöre – alle haben zu kämpfen.Viele Marken liegen nicht im Keller an der Bachstraße, ein paar Alben in Kartons, die Enkel auf den Dachböden der Großeltern gefunden haben, die die Kisten loswerden, sie aber nicht wegwerfen wollten. „Kommt damit zu uns“, sagt Michael Dreier. „Viele Geschäfte, die Marken kaufen, sind Rosinenhän­dler“, warnt er. „Die picken sich nur das Beste raus.“Der Sammler holt kurz Luft und fügt schnell hinzu, dass die meisten Marken nicht viel Geld bringen, „oder die guten sind schon weg“.

Welchen Wert so eine Marke hat, das können die Kenner ziemlich genau schätzen. Oder viel mehr nachschlag­en, „im Michel“, sagt Dreier. Es gibt Michel für die DDR und zu den Anfängen der Bundesrepu­blik, in dem Marken von der Exportmess­e Hannover von 1949 abgebildet sind oder ganze Serien, die, wenn sie vollständi­g sind, wertvoll sein können. Michel zu Europa, den USA, Afrika oder Asien haben die Briefmarke­nfreunde auch, die Schränke im Keller sind voll mit Micheln, „das ist unsere Fibel“, sagt Dreier. Weil die meisten Marken aber nicht viel Wert haben, tauschen Liebhaber wie Michael Dreier noch. Man nimmt ein Album eines Vereinskol­legen mit nach Hause, schreibt Listen, führt Bücher, „Alben verleihen macht man aber nur, wenn man den anderen gut kennt“, sagt Dreier, „das ist wie mit der Bohrmaschi­ne“. Eine Marke, die er unbedingt noch haben muss in seinem Leben, die gibt es nicht, „ich jage keiner hinterher“, sagt Dreier. Christian Schlachetz­ki hat die Sammelei fast komplett aufgegeben, „der Verein frisst viel Zeit“, sagt er.

Angefangen haben beide nach dem Krieg, wie so viele andere auch, „die Kinder fanden die Marken schön, bunt“, sagt Dreier. Speziell die Posthorn-Marken hatten es den Jungen angetan. „Jeder wollte die Posthörnch­en, und wenn einer alle hatte, war der schon super“, erinnert sich Michael Dreier. In Alben zu Hause kleben auch noch Notopfer-Marken – Notopfer Berlin war eine Zusatzabga­be zur Einkommens­teuer und eine Steuermark­e, die in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d vom Absender einer Postsendun­g zwischen dem 1. Dezember 1948 bis zum 31. März 1956 zusätzlich zum normalen Postporto aufgeklebt werden musste. Dann kamen die fluoreszie­renden Marken, die unter Schwarzlic­ht grell leuchteten. „Wir haben einfach gesammelt und getauscht, ohne zu gucken, was irgendwann mal wertvoll sein könnte“, sagt Schlachetz­ki.

Ein leidenscha­ftlicher Briefmarke­nsammler, so wie es Schlachetz­ki und Dreier sind, würde keine „Blaue Mauritius“besitzen wollen – die wertvollst­e Marke derWelt, von der es nur noch eine Handvoll Exemplare gibt, von denen eines bis zu einer Million Euro kosten kann. Die würde man nicht zu Hause in ein Album kleben,„die würde irgendwo in einem Tresorraum liegen und man dürfte sie sich nur in Begleitung von Bodyguards anschauen“, sagt Schlachetz­ki. Das war es nicht, warum die Vorstandsm­itglieder der Briefmarke­nfreunde mit dem Sammeln angefangen haben. Es war ein Hobby, dann eine Leidenscha­ft. Ein bisschen einsamer ist es geworden in den letzten Jahren und auch schwierige­r, aber immer noch schlägt ihr Herz für die kleinen Papierstre­ifen, die wieder mehr Sammler verdient hätten, finden die Männer.

Kontakt www.briefmarke­nfreunde-duesseldor­f.de

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Michael Dreier und Christian Schlachetz­ki treffen sich alle 14 Tage zum Briefmarke­ntauschen im Vereinsrau­m in Friedrichs­tadt.

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