Rheinische Post Krefeld Kempen
Abgestempelt?
Michael Dreier und Christian Schlachetzki sind leidenschaftliche Briefmarkensammler. Deren Zahl geht in Düsseldorf zwar insgesamt zurück – doch die beiden tauschen weiter und halten den Verein am Leben.
FRIEDRICHSTADT Tageslicht gibt es nicht in dem Raum, an der Decke flackern grelle Neonröhren, die ab und an ein leises Zischen von sich geben. Nach staubigem Papier riecht es dort, ein bisschen wie in einer alten Bibliothek, frische Luft kommt selten rein, nur wenn man lang genug die Tür auflässt. Tischreihen stehen ordentlich im Zimmer, die Stühle weit druntergeschoben. Schränke säumen die Wände, an den Säulen mittendrin hängen alte Postsäcke, aus demVatikan oder aus China, in einer Ecke türmen sich Kisten voller Alben.
Dieser Ort befindet sich in einem Keller irgendwo auf der Grenze zwischen Friedrichstadt und Unterbilk, ein bisschen düster wirkt er und auch geheimnisvoll, und so manches Geheimnis birgt er auch. Der Raum gehört den Briefmarkenfreunden Düsseldorf, die an der Bachstraße beheimatet sind, die nicht oft kommen, „vielleicht alle 14 Tage, in den Ferien und an den Feiertagen sind wir nicht hier“, sagt Michael Dreier aus dem Vorstand. Interessenten sollen es besser nicht an der Adresse versuchen, „sie können uns anrufen“, sagt er, oder auf die Internetseite gehen.
1955 wurde der Verein gegründet, am 24. Oktober, in der Gaststätte Katzbachquelle in Lierenfeld. „17 Leute waren es damals“, erzählt Dreier, in Hochzeiten sollen 130 Erwachsene und bis zu 100 Jugendliche dem Düsseldorfer Verein angehört haben. Vor 40 Jahren schließlich zogen die Philatelisten an die Bachstraße, wo heute zwar noch getauscht wird, wo aber nur noch ein paar Dutzend Menschen zusammenkommen. „Kinder und Jugendliche haben wir keine mehr bei uns“, sagt der Vorsitzende Christian Schlachetzki ein bisschen wehmütig, der sich wünscht, dass das Hobby wieder mehr Menschen erreicht, mehr anspricht, sich mehr dafür begeistern können. „So geht es aber nicht nur uns“, meint der Vorsitzende. Brauchtum, Kirchen, Chöre – alle haben zu kämpfen.Viele Marken liegen nicht im Keller an der Bachstraße, ein paar Alben in Kartons, die Enkel auf den Dachböden der Großeltern gefunden haben, die die Kisten loswerden, sie aber nicht wegwerfen wollten. „Kommt damit zu uns“, sagt Michael Dreier. „Viele Geschäfte, die Marken kaufen, sind Rosinenhändler“, warnt er. „Die picken sich nur das Beste raus.“Der Sammler holt kurz Luft und fügt schnell hinzu, dass die meisten Marken nicht viel Geld bringen, „oder die guten sind schon weg“.
Welchen Wert so eine Marke hat, das können die Kenner ziemlich genau schätzen. Oder viel mehr nachschlagen, „im Michel“, sagt Dreier. Es gibt Michel für die DDR und zu den Anfängen der Bundesrepublik, in dem Marken von der Exportmesse Hannover von 1949 abgebildet sind oder ganze Serien, die, wenn sie vollständig sind, wertvoll sein können. Michel zu Europa, den USA, Afrika oder Asien haben die Briefmarkenfreunde auch, die Schränke im Keller sind voll mit Micheln, „das ist unsere Fibel“, sagt Dreier. Weil die meisten Marken aber nicht viel Wert haben, tauschen Liebhaber wie Michael Dreier noch. Man nimmt ein Album eines Vereinskollegen mit nach Hause, schreibt Listen, führt Bücher, „Alben verleihen macht man aber nur, wenn man den anderen gut kennt“, sagt Dreier, „das ist wie mit der Bohrmaschine“. Eine Marke, die er unbedingt noch haben muss in seinem Leben, die gibt es nicht, „ich jage keiner hinterher“, sagt Dreier. Christian Schlachetzki hat die Sammelei fast komplett aufgegeben, „der Verein frisst viel Zeit“, sagt er.
Angefangen haben beide nach dem Krieg, wie so viele andere auch, „die Kinder fanden die Marken schön, bunt“, sagt Dreier. Speziell die Posthorn-Marken hatten es den Jungen angetan. „Jeder wollte die Posthörnchen, und wenn einer alle hatte, war der schon super“, erinnert sich Michael Dreier. In Alben zu Hause kleben auch noch Notopfer-Marken – Notopfer Berlin war eine Zusatzabgabe zur Einkommensteuer und eine Steuermarke, die in der Bundesrepublik Deutschland vom Absender einer Postsendung zwischen dem 1. Dezember 1948 bis zum 31. März 1956 zusätzlich zum normalen Postporto aufgeklebt werden musste. Dann kamen die fluoreszierenden Marken, die unter Schwarzlicht grell leuchteten. „Wir haben einfach gesammelt und getauscht, ohne zu gucken, was irgendwann mal wertvoll sein könnte“, sagt Schlachetzki.
Ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler, so wie es Schlachetzki und Dreier sind, würde keine „Blaue Mauritius“besitzen wollen – die wertvollste Marke derWelt, von der es nur noch eine Handvoll Exemplare gibt, von denen eines bis zu einer Million Euro kosten kann. Die würde man nicht zu Hause in ein Album kleben,„die würde irgendwo in einem Tresorraum liegen und man dürfte sie sich nur in Begleitung von Bodyguards anschauen“, sagt Schlachetzki. Das war es nicht, warum die Vorstandsmitglieder der Briefmarkenfreunde mit dem Sammeln angefangen haben. Es war ein Hobby, dann eine Leidenschaft. Ein bisschen einsamer ist es geworden in den letzten Jahren und auch schwieriger, aber immer noch schlägt ihr Herz für die kleinen Papierstreifen, die wieder mehr Sammler verdient hätten, finden die Männer.
Kontakt www.briefmarkenfreunde-duesseldorf.de