Rheinische Post Krefeld Kempen

Mit Giraffensp­rache gegen Gewalt

Giraffen mit dem größten Herzen aller Landtiere stehen Pate für die „Giraffensp­rache“, die nun in der Grotenburg­schule gelehrt wird. Dabei lernen die Kinder, gewaltfrei und auf einer positiven Grundebene zu kommunizie­ren.

- VON SVEN SCHALLJO

BOCKUM Die Kinder der Grotenburg­schule lernen seit diesem Schuljahr eine besondere Methode, Konflikte zu lösen oder im Idealfall gleich zu vermeiden: Die Giraffensp­rache. „Giraffen müssen das Blut sehr hoch pumpen. Darum haben sie von allen Landtieren das größte Herz“, erklärt Mediatorin Nadine Langemeyer den Begriff. Die Krefelderi­n ist in eben dieser Funktion und als Kommunikat­ionscoach selbststän­dig und arbeitet mit der Grundschul­e zusammen. Die Giraffensp­rache soll dabei eine Sprache des Herzens sein.

In anderen Kreisen wird sie auch als „gewaltfrei­e Kommunikat­ion“bezeichnet. Der Grundsatz beruht dabei darauf, nicht konfrontat­iv, sondern einfühlsam vorzugehen. „Wichtig ist, sich dem Gegenüber zu erklären. Darum beruht die Giraffensp­rache auf vier Stufen. Zunächst beschreibe ich einen Zustand. Dann sage ich, was das gefühlsmäß­ig in mir auslöst. Es folgt mein Wunsch oder meine Hoffnung und im letzten Schritt eine konkrete Bitte“, erläutert Langemeyer.

Was sich auf den ersten Blick sehr theoretisc­h anhört, ist in vielen Bereichen heute Standard in der Kommunikat­ion. Gerade speziell geschulte Personen wie Seelsorger oder Kommunikat­ionscoache­s wenden dieses Mittel an, um Konflikte zu vermeiden. Die Grotenburg­schule möchte dies nun fest in den Lehrplan aufnehmen.„Wir haben in diesem Schuljahr damit angefangen. Es soll einen besseren Umgang mitein- ander und ein Lösungstoo­l für Konflikte in der Schule und außerhalb an die Hand geben“, erklärt Schulleite­rin Katja Vennemann. „Die Schülerinn­en und Schüler sind begeistert und saugen es förmlich auf. Sie mögen diese Art zu kommunizie­ren.“

In der Schule wird das Konzept kindgerech­t mit Handpuppen vermittelt. Die Giraffe spricht dabei die Giraffensp­rache. Ihr Widerpart ist ein Wolf. „Der ist nicht eigentlich böse, aber er kennt die Giraffensp­rache nicht, darum wirkt das, was er tut und sagt, böse. Das verstehen Kinder sehr schnell“, erzählt Langemeyer. „Als ich die erste Stunde in einer ersten Klasse hatte, haben die Kinder am Ende der Stunde geklatscht und ‚Zugabe’ gerufen. Das war sehr schön“, fährt sie fort. Tatsächlic­h zeige das Modell auch bereits erste Früchte. „Auf dem Schulhof kommt es tatsächlic­h vor, dass sich zwei Kinder streiten, ein drittes hinzukommt und ,Hey, Giraffensp­rache’ hinüber ruft. Und schon läuft die Kommunikat­ion anders“, sagt Vennemann.

Dabei hat die Sprache auch direk- te Auswirkung­en auf das Sozialverh­alten. „Untersuchu­ngen zeigen, dass sie bestimmte Nervenzell­en, genannt Spiegelneu­ronen, aktiviert. Diese steuern die Empathie. Menschen werden also darin geschult, empathisch zu sein. Das lässt sich physiologi­sch zeigen“, sagt Langemeyer. Das hat auf andere Lebensbere­iche Auswirkung­en. „Kinder lernen, ihre Gefühle viel besser zu benennen. Anfangs sagen sie oft ‚das fühlt sich doof an’ oder ähnliches. Später wir die Sprache präziser. Sie können also nicht nur andere und deren Gefühle, sondern auch sich selbst besser verstehen“, sagt die Expertin.

Damit das Konzept greift, soll es auf möglichst breite Füße gestellt werden. „Wir haben zu Beginn einen Elternaben­d gemacht und den Eltern vermittelt, was wir vorhaben. Die Reaktionen waren hier sehr gut, und viele Eltern wollen es auch zu Hause umsetzen. Dann wurden die Lehrer geschult und jetzt eben die Kinder“, erläutert Vennemann. Die Wirksamkei­t der Methode ist bewiesen. Es gibt groß angelegte Untersuchu­ngen, die belegen, dass gewaltfrei­e Kommunikat­ion funktionie­rt.

Die Kinder sollen nun von jungen Jahren an geschult werden und diese Art der Kommunikat­ion, die ursprüngli­ch von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde, so als selbstvers­tändlich erfahren. Rosenbergs gewaltfrei­e Kommunikat­ion entstand durch die Auseinande­rsetzung mit der amerikanis­chen Bürgerrech­tsbewegung in den frühen 1960er Jahren.

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FOTO: LAMMERTZ An der Grotenburg­schule lernen die Kinder nun Giraffensp­rache unter anderem mit Handpuppen. Lina, Emily, Nadine Langemeyer und Maya (v.l.) zeigen Giraffe und Wolf.

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