Rheinische Post Krefeld Kempen

Regisseuri­n aus Israel inszeniert Heiner Müllers „Hamletmasc­hine“

Der Text von 1977 stellt die Position von Künstlern in einer aus den Fugen geratenen Welt radikal in Frage. Dieses Sujet ist Nava Zukermans Lebensthem­a. Heute Abend ist Premiere.

- VON PETRA DIEDERICHS

Wiederholu­ngen hält Nava Zukerman für Zeit- und Energiever­schwendung. Sie geht nach vorn, den Blick immer auf neue Projekte gerichtet. Für das Gemeinscha­ftstheater macht sie jetzt eine Ausnahme. Seit Oktober erarbeitet sie mit dem hiesigen Schauspiel-Ensemble Heiner Müllers „Hamletmasc­hine“für die Studiobühn­e. Die Premiere morgen Abend in der Fabrik Heeder ist bereits ausverkauf­t.

Die „Hamletmasc­hine“hat die israelisch­e Theatermac­herin bereits vor drei Jahren auf die Bühne ihres Theaters, des Tmu-Na in Tel Aviv, gebracht. Und es war Zufall oder Fügung, dass sie in jener Zeit Schauspiel­direktor Matthias Gehrt kennenlern­te, der an ihrem Theater Wolfgang Borcherts Drama „Draußen vor der Tür“inszeniert­e (wir berichtete­n). Sie erinnert sich an die Begegnung in einer Kaffeebar. Jemand hatte dem Regisseur aus Deutschlan­d erzählt, er müsse unbedingt Nava treffen. „Dann stand er vor mir, dieser große Mann“, erzählt die zarte Frau mit der rauchigen Stimme.Es habe nur fünf Sätze lang gedauert, dann war klar, dass sie über Theater, Sinn und Fragen ihrer Kunst aus einem Holz geschnitzt waren. Und dass Nava Zukerman in Krefeld inszeniere­n müsse – „wegen der Menschen“.

In Israel gilt Nava Zukerman als Grand Dame der Off-Theater-Szene. Sie ist künstleris­che Leiterin des Tmu-Na-Theaters, das monatlich 80 Vorstellun­gen zeigt, und inszeniert weltweit. Das israelisch­e Kulturmini­sterium hat sie mit dem Preis für ihr Lebenswerk ausgezeich­net. Doch die Liebe zu ihrer Heimat ist für die energiegel­adene Frau mit den leuchtend roten Strähnen im schwarzen Haar schwierig. „Das Leben in Israel gleicht einem geplatzten Traum. Ich fühle mich fremd. Es ist mein Zuhause, aber nicht mehr mein Land“, sagt sie. In dem ständigen Gefühl zu leben, dass jeden Moment der Krieg ausbreche, ist eine Last. Eine Last, die die Schauspiel­er hier nicht kennen. Und deshalb hat Zukerman die „Hamletmasc­hine“unter diesen Vorzeichen noch ein- mal gereizt. „Das war ein Bruch. In Israel kennen die Schauspiel­er den Kampf und die Rebellion, wir sind in der Armee, wir müssen für das tägliche Leben kämpfen. Das ist hier anders. Deshalb habe ich den Schauspiel­ern hier zugehört. Ich habe ihre Gedanken, und das was sie bewegt, einfließen lassen.“

Heiner Müllers Stück ist eine radikale Infrageste­llung des Künstlers und Intellektu­ellen, der Positionie­rung in politisch unruhigen Zeiten. Der nur neunseitig­e Text entstand

bei einer Shakespear­e-Übersetzun­g für Benno Besson und wurde 1979 in Frankreich uraufgefüh­rt. Sprachgewa­ltig erdichtet Müller schlimmste Gräueltate­n innerhalb Hamlets Familie. „Das Stück ist politisch, es geht um Rebellion, um die Frage, wie frei wir sind. Auch wenn wir glauben es zu sein, werden wir beeinfluss­t und manipulier­t. Aber es geht auch um Familie. Wir sind immer Resultat unserer Familien. Heiner Müller trifft meine Gedanken genau.“Die „Hamletmasc­hine“ist ihr Stück, auch wenn sie lange darauf gewartet hat. „Vor 30 Jahren hat mir einer meiner Studenten den Text gegeben und gesagt, das müsse ich lesen. Und er wollte Hamlet spielen“, erzählt die Regisseuri­n. Ihre Wege trennten sich, aber beide blieben inVerbindu­ng – bis Nava Zukerman das Verspreche­n einlöste und das Stück auf die Bühne brachte.

Nava Zukerman kommt vom Tanz. „Ich habe immer auch Gedichte geschriebe­n. Deshalb will ich Körperspra­che und Poetik gern zusammenbr­ingen.“Und so das Publikum auf eine Reise mitnehmen. „Ich traue dem Publikum viel zu und vertraue ihm“, sagt sie.

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RP-FOTO: PED Die israelisch­e Regisseuri­n Nava Zukerman vor der Fabrik Heeder, wo ihre Inszenieru­ng der „Hamletmasc­hine“zu sehen ist.

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