Rheinische Post Krefeld Kempen
Familien im Advent zwischen Stress und Besinnung
Besonders kurz ist der Advent in diesem Jahr. Das stellt Familien vor Herausforderungen. Die Freude lassen sie sich trotzdem nicht nehmen.
Die neunjährige Sophia, vierte Klasse, hat ihren Eltern einen Adventskalender gebastelt, mit Bildchen hinter den Türchen. Am 1. Advent ist eine kleine Kerze drin. Wie treffend und lieb. Und am 3. Dezember ein Sprüchlein:„Ihr müsst Geschenke kaufen gehen.“Wie unmissverständlich. Und wie wahr. Der sechsjährige Bruder Gideon ereifert sich: „Ihr müsst ja nichts tun, das macht ja alles der Weihnachtsmann. Aber wir müssen alles immer noch basteln.“
Die Adventszeit soll besinnlich sein. In diesem Jahr ist sie vor allem aber kurz. Nur noch zwei Wochen bis zum Fest. Bis dahin will und muss noch vieles erledigt werden. Das setzt Familien schon mal unter Stress – vorrangig natürlich die Eltern.
So recht wissen die Eltern nicht, was sie von den Aussagen ihrer Kinder halten sollen. Glaubt Gideon, der ja nun die 1. Klasse besucht, noch an denWeihnachtsmann?Viele Erstklässler tun das offenbar durchaus noch. An der Katholischen Paulusgrundschule konnten die Lehrerinnen genau das beobachten. Als nun der Nikolaus am Donnerstag, am Nikolaustag, in die Schule kam, wollten sich viele Kinder bei ihm bedanken für das, was er ihnen zu Hause in die Stiefel gesteckt hat. Eltern geraten in derVorweihnachtszeit zuweilen in Erklärungsnot, müssen auch mal flunkern dürfen. Natürlich gibt es denWeihnachtsmann, das Christkind und den Nikolaus sowieso.
Auch bei Familie Kern hält man es so. „Auf jeden Fall“, sagt Mama Simone. Ihre Tochter Lina ist ja auch erst vier. Und diese Magie will die Familie auch beibehalten.„Wir wollen unserer Tochter schon die traditionellen Werte mitgeben.“Entsprechend bereite man sich auf das Weihnachtsfest vor und begehe den Advent mit allem, was dazugehöre. Und Vater Manfred schlüpft schon mal ins Nikolaus-Ornat. „Natürlich gibt es im Advent auch Hektik, weil es noch viele Sitzungen und Weihnachtsfeiern gibt, aber wir versuchen auch, dass es eine besinnliche Zeit wird“, sagt Simone Kern, die als Familientherapeutin arbeitet und meint: „Viele Familien haben ganz andere Probleme.“
Besinnlich ist es bei Familie Kashani zuweilen auch, das, sagtVater Dariush, hänge aber auch davon ab, welche Oma und welchen Opa man besuche. Die Vorweihnachtszeit ist bei den Kashanis immer mit viel Fahrerei verbunden. Seine Eltern wohnen im niedersächsischen Nordhorn, die seiner Frau Eva-Maria im hessischen Marburg. Das sei durchaus stressig und verlange doch ein bisschen logistische Vorbereitung. Seine Eltern, erzählt der gebürtige Iraner, haben immer schonWeihnachten und den Advent gefeiert, obwohl sie Muslime sind. Zu Hause bei ihm fänden die Feiern allerdings meist im größeren Kreis statt, es kämen auch Freunde und Verwandte hinzu. Und zuweilen werde gar getanzt. Seine Frau stamme aus einer evangelischen Familie. Dort seien die Adventsbesuche dann etwas heimeliger. Sein dreijähriger Sohn Ilja kenne beides, liebe beides, es gebe ja auch immer reichlich Geschenke. Und der jungen Familie aus Unterbilk steht in diesem Jahr zudem ein ganz besonderes Fest bevor. Sie sind nun zu viert. Denn im September kam Jakob zur Welt.
Der Druck beginnt natürlich schon vor dem Advent, also mit der Überlegung, wer welchen Kalender bekommt. So was kann man kaufen. Der sechsjährige Gideon wollte einen solchen Gekauften, mit kleinen Spielzeugautos hinter jedem zweiten Kläppchen. Doch Kalender kann man aber auch selber machen. Gefüllt werden sie, wenn alles schläft. Die ersten Tage verlaufen zu aller Zufriedenheit. Dann knibbelt der Kleine beim Mittleren das Kläppchen 23 auf. Es entspinnt sich ein Drama mit Tränen und Wutgeheul. Papa verspricht, das geplünderte Törchen neu zu befüllen, und hofft, dass er die adventliche Kleinigkeit beim großen Geschenkekauf nicht vergisst.
Derweil rufen die Nachbarn an und fragen, ob man nicht mal auf einem der Weihnachtsmärkte zusammen einen Glühwein trinken sollte? Ganz gemütlich. Gute Idee, soweit. Nur mal kurz die Babysitterin erreichen. Hatte die überhaupt einen Termin frei? Und dann fällt der Neunjährigen ein, dass sie für das Theaterstück auf der Weihnachtsfeier in der Schule ja noch ein Kostüm brauche. Sie spiele eine Bäuerin. „Haben wir so was?“Spontan sicherlich nicht.
Die letzte Hürde kommt noch, die Auswahl des richtigen Baums. Einer mäkelt immer. Glücklicherweise sind heutige Christbaumständer echte High-Tech-Produkte. Ungeklärt ist die Frage, wie sorgsam Papa vergangenes Jahr die Lichterkette eingeräumt hat. Das könnte noch für eine Überraschung sorgen. Und während die Kinder den Baum schmücken, wird natürlich die alte Geschichte aufgewärmt werden.Von anno dazumal, als Opa stolz die Baumspitze aufsetzte und beim schwungvollen Schritt runter vom Höckerchen mitten in den Karton mit den Christbaumkugeln trat. Nur noch Scherben. Heute lachen alle darüber. Damals niemand. Schon gar nicht Oma, für die war es einfach zu viel nach der ganzen Arbeit. Adventsstress, den gab‘s auch früher schon…