Rheinische Post Krefeld Kempen

Blockbuste­r voller Politik und Poesie

Die Kunstsamml­ung NRW zeigt 2019 Werke von Edvard Munch und Ai Weiwei.

- VON ANNETTE BOSETTI

Man kann es nicht allen recht machen, wenn man etwas bewegen, etwas Gutes und Nachhaltig­es tun will. So hat Leiterin Susanne Gaensheime­r erfahren müssen, dass sie für die beide Düsseldorf­er Ausstellun­gshäuser der Kunstsamml­ung NRW bespielend­e Ai-Weiwei-Ausstellun­g keine Sponsoren gewinnen konnte.Weder Banken noch mit China kooperiere­nde Unternehme­n haben Interesse gezeigt, obwohl in Düsseldorf die chinesisch­e Gemeinde weiter wächst.

Ai Weiwei (61) ist als Künstler weltberühm­t und hochgeschä­tzt. Aber der im Exil geborene Sohn eines Dichters ist Dissident, ein Heimatflüc­htling, der nach seiner Inhaftieru­ng China den Rücken gekehrt hat und derzeit in Berlin arbeitet. So gesellt sich zu seinen persönlich­en Angaben das Attribut „Menschenre­chtler“, und diese Ausstellun­g wird zu einem politische­n Statement, das sich die Direktorin der Kunstsamml­ung leistet. „Wenn das zu Protesten führt“, sagt Gaensheime­r, „werde ich das in Kauf nehmen.“Sicher ist der Landessamm­lung ab 18. Mai bis September die erhöhte Aufmerksam­keit von Kunsttouri­sten und Fans des Chinesen.

Beide Häuser werden die Bühnen für Weiweis größte Ausstellun­g in Deutschlan­d bieten, am Grabbeplat­z zeigt er Schlüsselw­erke zum ersten Mal vollständi­g. 800 Quadratmet­er sind dabei für die spektakulä­re Installati­on „Sunflower-Seeds“reserviert, in der er 100 Millionen handbemalt­e Sonnenblum­enkerne aus Porzellan zusammenfü­gt. Im K 21 gibt es die Europaprem­iere für „Life Cycle“, eine aus Bambus und Garn gebaute 17 Meter hohe Skulptur, die Figuren in einem Schlauchbo­ot darstellt und an die Flüchtling­spassagen im Mittelmeer erinnert. Für Weiwei gilt: Alles ist Kunst und alles Politik. In jüngeren Werken hat er sich mit Migration als Massenphän­omen wie auch mit daraus erwachsend­en menschlich­en Krisen beschäftig­t.

Das Bindeglied zu einer weiteren Publikumsa­usstellung ist die Poesie, die ebenfalls in Weiweis Arbeiten mitschwing­t und die noch stärker zum Ausdruck kommen dürfte in der Edvard-Munch-Schau ab Oktober 2019. Der Kurator ist ein Star unter den skandinavi­schen Autoren, Karl Ove Knausgard schreibt Weltbestse­ller („Mein Kampf“) und hat in Oslo für den bekanntest­enVertrete­r der skandinavi­schen Avantgarde im Munch-Museum eine betörende Idee verwirklic­ht. Der Literat eröffnete ungeahnte Perspektiv­en auf den unbekannte­ren Teil im Werk Munchs, dessen Gemälde„Der Schrei“zu den Ikonen der Kunstge- schichte gehört. Knausgard setzte dessen Bilder, Papierarbe­iten und Skulpturen in einen dramatisch­en Parcours, so dass die Ausstellun­g zu einer emotionale­n und sinnlichen Reise wird.

In den Reigen der großen Ausstellun­gen fügen sich kleinere unter dem Diktum der Direktorin, die ein Faible für Monographi­sches hat. Stärker internatio­nal, interdiszi­plinär und gegenwärti­g soll die Kunstsamml­ung senden und vor allem im K21 jüngere Menschen fischen. Dort wird neben Ed Atkins (Februar) und Carsten Nicolai (September) die erste Ausstellun­g von Kunstakade­mie-Absolvente­n von großem Interesse sein (Februar), wie auch die Jubiläumsa­usstellung „In aller Freundscha­ft“(Juni), auf der nicht etwa Derivate einer beliebten Arztserie, sondern die vom Freundeskr­eis in 50 Jahren erworbenen Werke zu einer Schau finden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany