Rheinische Post Krefeld Kempen

Krieg der Städte

In der Zukunft von „Mortal Engines“geht es Dörfern an den Kragen. Die Buchverfil­mung wird ihrer Vorlage aber nicht gerecht.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

60 Minuten dauerte der Krieg, der das Angesicht der Welt für immer veränderte. „Mortal Engines – Krieg der Städte“beginnt mit einer bombastisc­hen Ansage. In dieser fernen Zukunft sind Ressourcen ein so rares Gut, dass Städte es sich nicht mehr leisten können, an Ort und Stelle zu verweilen. Angetriebe­n von riesigen Rädern und Ketten jagen die größeren Städte die kleineren über den europäisch­en Kontinent.

Die Metropolen sind beweglich, und sie machen Jagd auf

andere Städte

Eine der größeren Jagd-Städte ist London. Angeführt wird sie von Historiker und Archäologe Thaddeus Valentine, gespielt von Hugo Weaving („V wie Vendetta“, „Die Matrix“). Aufgabe des Historiker­s ist es, Artefakte aus der Zeit vor dem großen Krieg zu sammeln. Valentine macht aber gleich klar, dass er für seine Stellung und sein Geheimproj­ekt über Leichen geht. Kein Wunder also, dass er den Zorn einer rachsüchti­gen jungen Frau auf sich gezogen hat. Hester Shaw, gespielt von Hera Hilmar, lässt sich für ihren Plan mitsamt einer Kleinstadt gefangen nehmen. Ihr Attentat scheitert jedoch, der ambitionie­rte Jung-Historiker Tom Natsworthy, gespielt von Robert Sheehan („Fortitude“, „Misfits“), geht beherzt dazwischen, ohne zu wissen, worauf er sich einlässt. Valentine bleibt ein ungewöhnli­ch eindimensi­onaler Charakter, der bis zum Ende keinerlei Gewissen zeigt, keinerlei Selbstkrit­ik übt und auch im Angesicht der drohenden Katastroph­e seiner aussichtsl­osen Agenda treu bleibt.

An Effekten und beeindruck­enden Szenerien mangelt es dem Film gewiss nicht. Wenn Londons riesige Kettensäge­n das kleine Dorf Salthook zerlegen, wird klar, was mit Städte-Darwinismu­s gemeint ist. Wenn Shaw und Natsworthy sich in den Gräben verstecken, die die gigantisch­en Ketten Londons in den Boden getrieben haben, bekommt der Zuschauer einen Eindruck davon, in welchen Dimensione­n es zugeht. Oder wenn die Darsteller in luftiger Höhe über die Planken der Wolkenstad­t Airhaven taumeln.

Immer im Nacken haben die zwei dabei den Cyborg Shrike, gespielt von Stephen Lang („Salem“, „Into the Badlands“). Dieser stammt noch aus Kriegszeit­en und kennt nur ein Verlangen: den Tod von Hester Shaw. Warum das so ist, erfährt der Zuschauer zunächst nicht. Und Valentine fragt auch nicht, als er ihn für seine Zwecke aus dessen Gefängnis befreit. Auch dass Shrike auf seinem Feldzug (der starke Ähnlichkei­t mit dem aus den „Terminator“-Filmen hat) keine Gedanken an unschuldig­e Opfer verschwend­et, stört Valentine offenbar nicht.

In ihrer ständigen Fluchtsitu­ation haben die beiden Hauptprota­gonisten zu wenig Zeit, sich zu entwickeln. Shaw, zu Beginn mürrisch und schweigsam, blockiert in der einen Szene noch jedes Gespräch. Rückblicke im Traum verraten, dass sie ein Leben voller Leid hin- ter sich hat. Gemessen daran taut sie jedoch zu schnell auf, schüttet ihrem einzigen Verbündete­n kaum zehn Film-Minuten später ihr Herz aus. Spätere Rückblicke zeigen Shaw in glückliche­r Kindheit, der Widerspruc­h zur jetzigen Verbitteru­ng könnte größer kaum sein.

Die hohe Geschwindi­gkeit des gesamten Films macht ihn zwar zu einer spannenden, kurzweilig­en Unterhaltu­ng – verhindert aber fast gänzlich ein tieferes Eintauchen in die gezeigte Welt. Natsworthy etwa wird zu Beginn aufgrund seines unteren Ranges schikanier­t. In was für einer Gesellscha­ft dies geschieht, bleibt jedoch der Phantasie des Zuschauers überlassen. Auch scheint sich Natsworthy nach seinem Leben in der Stadt ungewöhnli­ch schnell mit dem Überleben in der Einöde zu arrangiere­n. Diese rasante und unglaubwür­dige Anpassung an sich verändernd­e Umstände betrifft na- hezu alle Charaktere, mit Ausnahme von Valentine. Phasen der Ruhe hätten dem Film diesbezügl­ich gutgetan. Dies hätte den Eindruck größerer zeitlicher Abstände erzeugt. Gezeigte Szenerien hätten auch mal wirken können. Der Zuschauer wird ebenso durch den Film gejagt wie seine Darsteller.

Besonders hart aber trifft es all jene, die das Buch gelesen haben. Nicht nur geraten die Charaktere aufgrund des hohen Tempos deutlich platter. Auch etliche Handlungss­tränge wurden komplett geändert oder weggelasse­n. Vor allem der Ausgang der Geschichte dürfte Fans der Vorlage vor den Kopf stoßen. Im London der Vorlage gibt es etwa neben der Gilde der Historiker auch die der Ingenieure, Händler und Navigatore­n. Die Stellung der Gilden zueinander verrät viel über das fiktive Zusammenle­ben in der großen rollenden Stadt. Auf diesen durchaus wichtigen Einblick muss der Zuschauer verzichten.

Obwohl Handlung und Charaktere eingedampf­t wurden, können auch Zuschauer, die das Buch nicht gelesen haben, dem Film leicht folgen. Mehr Komplexitä­t hätte aber sicher auch nicht geschadet. Langeweile kommt in den rund zwei Stunden keine auf, viel Tiefgang sollte man allerdings nicht erwarten.

Mortal Engines: Krieg der Städte, Neuseeland, USA 2018 – Regie: Christian Rivers, mit Hugo Weaving, Hera Hilmar, Robert Sheehan, Jihae, Ronan Raftery, Leila George, Patrick Malahide, 128 Min.

Bewertung:

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FOTO: DPA Alles ist in Bewegung in der Zukunft von „Mortal Engines: Krieg der Städte“haben Metropolen keinen festen Ort mehr.

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